Mitch - Herz im Dunkeln
als der Angestellte sich meldete.
„Greyhound liegt nur ein Stück die Straße runter. Das ist der Busbahnhof.“
„Können Sie mir die Telefonnummer geben?“
Im Stillen wiederholte Mitch die Nummer, die der Angestellte ihm nannte. Dann legte er auf und wählte erneut.
Er würde nach Santa Fe fahren.
2. KAPITEL
B ecca war gerade draußen, wo sie Belinda und Dwayne dabei half, eine Busladung Gäste zu begrüßen, als sie ihn entdeckte.
Man hätte ihn leicht übersehen können – die Gestalt eines Mannes, der langsam die Straße entlangging. Doch selbst aus der Ferne erkannte sie, dass er anders war. Sein Gang war nicht lässig wie der eines Cowboys von einer benachbarten Ranch. Er trug auch keine Taschen und Beutel mit Kunsthandwerk und Schmuck, die viele Indianer aus der Gegend in Santa Fe verkauften. Dieser Mann trug nur eine einzelne kleine Tasche bei sich, die er sich unter den Arm geklemmt hatte.
Er bog in die lange Auffahrt zur Lazy Eight Ranch ein. Irgendwie hatte Becca gewusst, dass er genau das tun würde.
Während er näher kam, sah sie, dass er auch nicht die typischen Westernsachen trug, die hier im Südwesten üblich waren. Zwar kam er in Jeans daher, aber statt des typischen langärmeligen Westernhemds trug er ein neu aussehendes T-Shirt. Seine Arme waren tief gebräunt, als würde er viel Zeit draußen verbringen.
Seine schwarzen Stiefel waren nicht von der Sorte, wie echte Cowboys sie trugen. Außerdem hatte er eine Baseballkappe auf dem Kopf statt eines Stetsons.
Aus der Entfernung hatte er groß und beeindruckend gewirkt. Aus der Nähe wirkte er nur noch beeindruckend. Es war wirklich eigenartig. Er war höchstens eins achtzig groß und schlank, beinah schmal. Und doch strahlte er eine stille Kraft aus.
Vielleicht lag es an seiner Haltung oder dem markanten Kinn. Möglicherweise sah Becca etwas in seinen dunklen Augen, das in ihr den Impuls auslöste, lieber Abstand zu ihm zu halten. Er ließ den Blick über die Auffahrt wandern, über den Van und das Gepäck und die Gäste, von dort zum Ranchhaus und zum Paddock, auf dem Silver ungeduldig auf den nächsten Ausritt wartete. Dann sah er zu Belinda und Dwayne, ehe er den Blick schließlich auf sie richtete. Er musterte sie kurz, fällte sein Urteil und hakte sie ab.
Becca versuchte, woandershin zu sehen, aber sie schaffte es nicht.
Er war sehr attraktiv – vorausgesetzt natürlich, eine Frau stand auf den dunklen, gefährlichen Typ. Sein Gesicht war ein wenig wettergegerbt, mit hohen Wangenknochen, auf die selbst Johnny Depp neidisch gewesen wäre. Seine Lippen waren schön geschwungen, wenn auch einen Tick zu schmal. Sein dunkles Haar war länger, als sie zuerst gedacht hatte, und im Nacken zusammengebunden, sein Gesicht glatt rasiert. Eine Narbe am Kinn unterstrich seine bedrohliche Ausstrahlung. Und diese Augen …
Becca beobachtete, wie er sich Belinda näherte. Er sprach leise – zu leise, als dass Becca seine Worte hätte hören können. Während er redete, zog er einen Zettel aus der Hosentasche.
Belinda drehte sich um und zeigte direkt auf Becca. Der Mann schaute ebenfalls in ihre Richtung. Erneut taxierten sie diese kühlen Augen.
Dann kam er auf sie zu.
Becca ging die Stufen vor dem Büro der Ranch hinunter und ihm entgegen. Dabei schob sie ihren zerbeulten Stetson, der ihre kurzen braunen Locken bedeckte, noch weiter in den Nacken. „Kann ich Ihnen helfen?“
„Sie sind Rebecca Keyes.“ Seine Stimme war sanft und ohne Akzent. Obwohl er seine Worte nicht als Frage formuliert hatte, antwortete sie.
„Das ist richtig.“ Seine Augen waren gar nicht dunkelbraun, wie sie zuerst vermutet hatte, sondern hellbraun – nein, das stimmte auch nicht ganz. Es war eine äußerst ungewöhnliche Mischung aus Grün, Braun und Blau. Sie starrte ihn an. Sie wusste, dass sie ihn anstarrte, aber sie konnte offenbar nicht damit aufhören.
„Haben Sie mir dieses Fax geschickt?“
Diesmal war es eine Frage. Becca riss sich vom Anblick seines Gesichts los und betrachtete den Zettel in seinen Händen. Es handelte sich tatsächlich um Faxpapier. Becca erkannte die übliche Wegbeschreibung zur Ranch und darunter ihre krakelige Handschrift. „Sie müssen Casey Parker sein.“
Er wiederholte den Namen langsam. „Casey Parker.“
Sein Aussehen passte irgendwie nicht zu der Stimme, mit der sie das telefonische Bewerbungsgespräch geführt hatte. Becca hatte ihn sich größer vorgestellt, älter, kräftiger gebaut. Aber egal. Sie
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