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Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation

Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation

Titel: Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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nicht»!
    Erst wollte ich sagen: «Es fällt dir schwer, über Dinge zu sprechen, die dich persönlich berühren und die etwas tiefer gehen?» – doch dann, während ich schon ansetzte zu sprechen, folgte ich einer Eingebung und suchte die Sache nicht ganz so drastisch auszudrücken und benutzte einige Abschwächungen, um ihr eine nicht-defensive Auseinandersetzung zu erleichtern:
    «Ist es ein bisschen so, dass es dir manchmal etwas leichter fällt, über Dinge zu reden, die ein klein wenig weiter wegliegen und dich persönlich nicht ganz so berühren?»
    Sie runzelte die Stirn und fragte: «Sag mal, was meinste denn damit?»
    Diesmal antwortete ich wie aus der Pistole geschossen: «Du überlegst, was das sein könnte, und es fällt dir auf Anhieb nicht so recht was ein?»
    Maria rückte mit ihrem Körper ab und nahm dabei ihre Hand unter der meinen heraus, sodass der von mir im Zusammenhang mit «Mich berührt deine sehr lebendige Art» herbeigeführte Körperkontakt wieder gelöst war. Ich selbst hatte die Stellung unserer Hände schon eine Zeitlang als etwas versteift und «eingefroren» erlebt, als nicht mehr ganz so stimmig wie zum Zeitpunkt des Zustandekommens, hatte aber keine Möglichkeit gesehen, meine Hand wieder zu entfernen, ohne womöglich den fälschlichen Eindruck der Ablehnung ihrer Person zu hinterlassen.
    Sie sagte: «Also manchmal spinnst du ein bisschen!»
    Das war nun reine Abwehr, noch dazu in Form einer Du-Botschaft. Aber man muss sich immer vor Augen halten, dass Maria nicht darin geübt ist, über persönliche emotionale, vielleicht unliebsame Erfahrungsinhalte zu sprechen. So ist dieses Verhalten als Verteidigung in einer vermeintlichen Notlage nur allzu verständlich. Auch kam mir zum Bewusstsein, dass ich durch mein einfühlendes Verstehen in den letzten Äußerungen vielleicht eine Spur zu «therapeutisch» gewirkt habe – sodass sie sich auf der Beziehungsebene womöglich wie ein Patient behandelt gefühlt haben mag.
    Nun stand ich am Scheidewege: Sollte ich durch Metakommunikation die Störung ansprechen und eine Beziehungsklärung anstreben? Oder sollte ich ein Stück Selbsteinbringung realisieren, also ganz als Mensch von mir selbst sprechen und so ein Modell sein für Selbstöffnung, um es ihr zu erleichtern, sich ebenfalls ein wenig zu offenbaren?
    Ich entschied mich für Letzteres. Schon aus dem Grunde, weil ich mich am wohlsten fühle, wenn ich ganz ich selbst sein kann.
    Also sagte ich: «Weißt du, mir geht es selber manchmal so, dass ich so alles Mögliche rede, so oberflächliches Zeug, was mit mir selber gar nichts zu tun hat – vielleicht weil ich irgendwie Angst habe, wenn ich zu viel von mir persönlich erzähle, dann werde ich vielleicht abgelehnt.»
    Da sie nichts sagte, fuhr ich fort und setzte gleichsam noch einen i-Punkt auf das Vorherige: «… oder dass ich mich vielleicht sogar selbst ablehne!»
    Obwohl ich unwillkürlich ein ganz ernstes Gesicht und einen bedeutungsvollen Ausdruck bekam, zuckte Maria nur mit den Schultern und sagte: «Das ist doch normal – noch ein Bier? Ich muss auch bald gehen.»
    Irgendwie fühlte ich mich nicht ganz angenommen, fand ihre Reaktion etwas undankbar angesichts meiner Selbstoffenbarungsleistung. Immerhin hatte ich doch ziemlich viel von mir preisgegeben. – Wegen dieses Gefühls und weil es mir schien, dass sie etwas von der Lebendigkeit verloren hatte, die ich anfangs an ihr schätzte, hielt ich es jetzt für an der Zeit, die Ebene zu wechseln und durch Metakommunikation an der Störung zu arbeiten:
    «Weißt du – mir fällt es nicht ganz leicht, das jetzt auszusprechen, und ich merk, wie ich mir einen kleinen Ruck dazu geben muss – also ich möchte mal ansprechen, wie wir hier miteinander reden, also wie ich das erlebe: Ich fühle irgendwie eine unsichtbare Wand zwischen uns und dass ich immer dagegen anrenne und dich nicht wirklich erreiche – verstehst du? Ich höre zwar mit den Ohren, was du sagst, aber ich spüre nicht richtig etwas von dir …»
    An dieser Stelle passierte etwas Unglaubliches. Ohne jede Vorankündigung griff Maria plötzlich zu ihrem Glas – und goss mir mit Schwung ihr ganzes Bier aufs Hemd. Und lachte etwas albern und sagte: «Damit du mal was von mir spürst, haha!»
    Und stand auf, um zu gehen.
    Es gab in meinem neuen Leben kaum einen Augenblick, wo ich so sehr wie jetzt in Versuchung war, in mein altes Verhalten zurückzufallen. Früher hätte ich wohl gebrüllt und mit «Du

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