Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation
menschlichen Kern widerspiegelt als vielmehr die wissenschaftlichen Leitlinien, nach denen er es ausrichtet. Der Verdacht also, nicht mehr den Menschen selbst, sondern sein wissenschaftliches Handwerkszeug anzutreffen.
Ich habe das Thema schon einmal in Verbindung mit der Metakommunikation berührt und möchte es jetzt vertiefen. Hier zunächst die Satire:
2.
«Bleiben Se Mensch, Herr Psychologe!» – Eine Satire
Ach, wie bin ich froh, durch Selbsterfahrung, Encounter-Groups und themenzentrierte Interaktion, durch Kommunikationstrainings, Meditation und – gottlob – auch Gestalttherapie einen besseren Zugang zu mir selbst und zu meinen Mitmenschen gefunden zu haben! Früher habe ich einfach so dahingelebt, anderen nur mit halbem Ohr zugehört, eine normale Fassade von mir gezeigt – und bin einer wirklichen Begegnung mit mir selbst und anderen aus dem Weg gegangen!
Ich will aber auch Folgendes nicht verschweigen: Seit ich auf dem Wege bin, kommt es zuweilen vor, dass mich mein persönliches Wachstum, mein Persönlichkeitsfortschritt von all jenen Mitmenschen entfernt, die noch nicht so weit sind.
So hatte ich neulich ein Rendezvous mit Maria, einem an sich wirklich netten Mädchen, das auf seine Art überaus natürlich ist. Wir saßen in einer Kneipe beim Bier, und sie plauderte fröhlich über dies und das. Allerdings waren die Inhalte etwas external und ichfern. Ich horchte in mich hinein und merkte, dass ich mich von ihrer lebendigen Art mehr angerührt fühlte als von den Inhalten ihrer Erzählungen – und beschloss, ihr ein Feedback zu spenden.
Wie jeder weiß, bedarf es einiger Qualifikation, um ein Feedback richtig zu geben. Früher hätte ich wahrscheinlich gar nichts gesagt und ein anderes Thema angefangen – oder ich hätte ihr durch eine Du-Botschaft irgendeinen Stempel aufgedrückt und mich selbst herausgehalten mit meinen Gefühlen. Jetzt aber hatte ich die einschlägigen Feedback-Regeln im Kopf (es soll beschreibend und nicht wertend, ferner möglichst konkret sein, unmittelbar erfolgen und vor allem in der Ich-Form gegeben werden).
Natürlich habe ich diese Regeln weitgehend in meine Persönlichkeit integriert, sodass ich sie mir nicht einzeln aufsagen muss, bevor ich ein Feedback gebe. Dies nämlich würde meine Spontaneität um einiges behindern. So hatte ich denn auch ziemlich schnell die Formulierung auf der Zunge:
«Mich berührt sehr deine lebendige Art, aber Segelclubs und das alles interessieren mich weniger.»
Fast wäre mir der Satz in dieser Urform herausgerutscht, gottlob merkte ich im letzten Moment, dass die beiden Feedback-Teile durch das Spaltwort «aber» verbunden waren, wodurch bekanntlich der erste Teil entwertet wird. Getreu der Gestaltregel von Fritz Perls ersetzte ich im letzten Moment das «Aber» durch ein «Und». So fuhr es aus mir heraus:
«Mich berührt sehr deine lebendige Art, und Segelclubs und das alles interessieren mich weniger.»
Wobei ich die während des ersten Teils («mich berührt sehr deine lebendige Art») gefühlte Nähe nonverbal durch leichte Aufnahme von Körperkontakt unterstrich.
Natürlich schaute sie etwas verwirrt – ich kenne und erwarte dies schon bei Menschen, die noch keine Selbsterfahrung und kein Training erlebt haben. So ist es mehr als verständlich, dass sie nicht vorbereitet sind, Dinge so direkt anzusprechen; auch Körperkontakt ist bei solchen Menschen noch ein großes Tabu. Es ist deswegen außerordentlich wichtig, sie nicht zu überfordern.
Ich konnte also nicht davon ausgehen, dass sie von sich aus nun ebenfalls ein Feedback nach den Regeln der Kunst zurückgeben würde. Um eine wirkliche Begegnung zu fördern, erlaubte ich mir daher eine kleine Intervention und fragte:
«Was macht das jetzt mit dir?» Etwas irritiert sagte sie: «Ja, was interessiert dich denn – ich mein, man kann doch nicht dauernd nur Tiefschürfendes reden!»
Da haben wir es! – durchfuhr es mich, da haben wir es, dieses anonyme «man», hinter dem sich doch wohl ganz persönliche Erfahrungen und Gefühle verbergen. Wie schon bei ihren externalen Gesprächsinhalten finden wir hier dieselbe Tendenz vor, nämlich die eigene Person herauszuhalten. Ich beschloss, ihr durch aktives Zuhören einen kleinen Dienst zu erweisen, ihr zu helfen, die hinter dem «man» verborgene Ich-Botschaft nach und nach ans Licht zu heben–steckt doch schließlich hinter einem «man kann nicht» in der Regel ein stark gefühlsbeladenes «ich will
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