Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation
ihn.» – Je besser wir jemanden kennen, desto leichter ist es offenbar, das Gemeinte im Geäußerten zu entdecken. Oft gründet sich das Bild vom anderen auf einer relativ geringen Informationsbasis. Auf Grund der Kleidung, des Geschlechtes, des Alters und einiger Lebensäußerungen neigen wir dazu, das unvollständige Bild zu ergänzen. Dié wenigen Informationen verraten uns, in welche «Schublade» wir ihn tun sollen, und diese Schublade enthält ergänzende Informationen und Vermutungen, sodass sich das Bild vervollständigt.
Das so entstandene Bild vom anderen liefert mir den Schlüssel für die Interpretation seiner Nachrichten. Ich weiß, wie es gemeint ist, denn ich kenne ja (scheinbar) meine Pappenheimer.
Beispiel: Ein Lehrer fragt auf einer Klassenreise einen seiner Schüler, der ihm während der Freizeit begegnet: «Woher kommst du denn?» – Vom Lehrer war diese Frage teilnahmsvoll und freundlich gemeint und als Einleitung für eine entspannte Unterhaltung gedacht. Vermutlich hätte der Schüler die Frage auch so verstanden, wenn sie von einem Mitschüler gestellt worden wäre. Nun aber funkte durch sein Gehirn: «Das ist der Lehrer – ein Erwachsener!» Und er empfängt die Nachricht auf folgende Weise:
Abb. 26:
Die vom Schüler empfangene Nachricht.
Auf Grund seiner Erfahrungen mit Erwachsenen und Erziehern war der Schüler es gewöhnt, dass derartige Fragen inquisitorisch und kontrollierend gemeint sind und in der Regel Kritik und Verbote nach sich ziehen. Entsprechend misstrauisch und «gewappnet» fragt er zurück: «Wieso?» – Resigniert dachte der Lehrer: «Ich komme einfach nicht heran an den Burschen!»
Korrelierte Botschaften. Subtile Missverständnisse entstehen gelegentlich dadurch, dass der Empfänger die Botschaft auf einer Seite der Nachricht korrekt empfängt, gleichzeitig aber auf den anderen Seiten der Nachricht weitere Botschaften mithört, welche mit der Kernbotschaft häufig gekoppelt sind (korrelierte Botschaften).
Beispiel: Mit einer Aufforderung (Kernbotschaft) ist häufig ein Versäumnis-Tadel (korrelierte Botschaft auf der Beziehungsseite) verbunden. Der Appell «Würdest du bitte dein Zimmer aufräumen!» hat häufig den Vorwurf im Schlepptau «Du hättest schon längst …» Dies ist ein Grund, warum Empfänger häufig so gereizt auf Appelle reagieren.
Auf Grund dieser Korrelation hat es ein Sender schwer, wenn er nur den Appell, nicht aber den Versäumnis-Vorwurf senden will.
Ein Student saß in der U-Bahn neben einer Dame, die einen Hund bei sich führte. Der Hund schnupperte an den Beinen des Studenten und drohte wohl auch zu lecken. Der Student war dagegen empfindlich und bat die Frau, ihren Hund etwas von ihm wegzuhalten. Die Frau reagierte sehr beleidigt. Sie hatte auf der Beziehungsseite die Botschaft mitgehört: «Wie können Sie nur so rücksichtslos sein und den Hund in meiner Nähe lassen!»
Abb. 27:
Korrelierte Beziehungsbotschaft (gestrichelt) bei einer Aufforderung.
Ein anderes Beispiel: Negative Gefühle (als Kernbotschaft auf der Selbstoffenbarungsseite), die durch das Verhalten des anderen ausgelöst worden sind, treten häufig gekoppelt auf mit einer Täterschaftszuweisung auf der Beziehungsseite. «Ich habe mich über dich geärgert» (= «und du hast mir das angetan, du Böser!»).
Da diese Koppelung so geläufig ist, ist es kein Wunder, dass der Empfänger diese Täterschaftszuweisung auf der Beziehungsseite fast automatisch auch dann mithört, wenn sie nicht gemeint ist. «Ich war traurig, dass du nicht gekommen bist!» mag ohne jeden Vorwurf als bloße Selbstoffenbarung gemeint sein. Könnte der Empfänger dieses entsprechend mit dem Selbstoffenbarungs-Ohr empfangen, könnte er darauf liebevoll und akzeptierend eingehen. Da er aber die korrelierte Botschaft mithört: «Wie konntest du mir das antun?», reagiert er gereizt und defensiv («Ja, mein Gott, mein Leben besteht doch nicht nur aus Freizeit – wie denkst du dir das denn eigentlich?»).
Abb. 28:
Zuweisung einer Täterschaft als korrelierte Beziehungsbotschaft bei negativer Gefühlsoffenbarung.
Ein letztes Beispiel: Häufig ist an negative Gefühlsäußerungen auch der Appell gekoppelt: «Tu etwas dagegen, schaff Abhilfe!» «Ich fühle mich so allein» hat häufig die Aufforderung «Geh nicht weg» im Schlepptau. Entsprechend fühlt sich der Empfänger bei negativem Gefühlsausdruck häufig aufgefordert, einen Rat zu geben oder Abhilfe zu schaffen. Wenn ihn dies
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