Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation
aber überfordert, reagiert er leicht ablehnend oder mit billigen Tröstungen («Ist doch Unsinn – ist doch alles nicht so schlimm!»). Hier hindert ihn der vermeintliche Appell-Druck, mit seinem Selbstoffenbarungs-Ohr «aktiv zuzuhören» (s. S. 63). Der korrelierte Appell lautet nämlich häufig gar nicht: «Schaff Abhilfe!», sondern: «Hör mir zu!»
Auf Grund derartiger Korrelationen ist die Verständigung sehr schwierig, wenn der Sender eine geläufige Korrelation sprengen möchte. Ohne Metakommunikation wird es nicht möglich sein.
Abb. 29:
Der vermeintliche Schaff-Abhilfe-Appell als korrelierte Botschaft zur negativen Gefühlsoffenbarung.
Beispiel für eine Metakommunikation: «Wenn ich sage, ich bin enttäuscht, dann meine ich damit nicht, du wärst schuld daran. Ich möchte nur sagen, was mit mir im Augenblick los ist.» – Nach einer mehrmaligen derartigen Metakommunikation haben es Partner zuweilen geschafft, die geläufige Korrelation zu sprengen. Dann ist es möglich, dass der eine seine Gefühle ausdrückt, ohne dass der andere mit empfindlich gespitztem Beziehungs-Ohr zuhören muss.
III.
Die Begegnung mit dem Empfangsresultat (Feedback)
Wir haben gesehen, dass schon die empfangene Nachricht ein Machwerk des Empfängers ist. Erst recht gilt dies für seine innere Reaktion auf die empfangene Nachricht. Davon soll im Folgenden die Rede sein.
Als Sender tappen wir ziemlich im Dunkeln, wie das, was wir von uns geben, ankommt, und was wir beim Empfänger «anrichten». Natürlich gilt dies nicht für jede kleine Nachricht, die wir von uns geben, obwohl sich das hier geschilderte Problem bis in die kleinste Zelle der Kommunikation, der Einzelnachricht, zurückverfolgen lässt. Aber wenn wir mit einem anderen Menschen eine Weile kommuniziert haben und unser Gesamtverhalten ihm gegenüber zu einer Superzelle zusammenfassen, dann wissen wir in der Regel nicht recht, wie die empfangene Superzelle aussieht. Nachrichten sind in gewisser Hinsicht mit jenen Pilzsorten vergleichbar, die je nachdem, ob man sie roh isst oder sie zuvor kocht, genießbar oder giftig sind. Und als Sender wissen wir nie: Hat der Empfänger gekocht oder roh gegessen?
1.
«Psycho-chemische Reaktionen»
Das, was die Nachricht «anrichtet», richtet der Empfänger also teilweise selbst an. Die innere Reaktion auf eine Nachricht erweist sich hier als ein Wechselwirkungsprodukt zwischen der Saat (gesendeter Nachricht) und dem psychischen Boden, auf den diese Saat beim Empfänger fällt. In einem anderen Bild ausgedrückt: In der Chemie ist das seltsame Phänomen bekannt, dass zwei für sich genommen harmlose Stoffe, wenn sie zusammentreffen, zu einer hochexplosiven Verbindung werden. In derselben Weise können wir uns Vorgänge in der Kommunikation vorstellen: Was die Nachricht «anrichtet», ist eine Art psycho-chemischer Reaktion, die entsteht, wenn zwei «Stoffe» zusammenkommen. Beispiel (s. Abb. 30): Wenn ein Empfänger kritisiert wird, der sehr stark von der Überzeugung durchdrungen ist, dass es schlimm und selbstwertbeeinträchtigend ist, Fehler zu machen, dann wird Verwundung und eventuell Aggression als psycho-chemische Reaktion auftreten, er wird «explodieren».
Abb. 30:
Beispiel für eine «psycho-chemische Reaktion» in der Innenwelt des Empfängers.
Trifft dieselbe Kritik auf einen Empfänger, der es sich zugesteht, Fehler zu machen, und darin keine Selbstwert-Einbuße erlebt, kann die Reaktion harmloser und konstruktiver ausfallen.
Besonders Ellis (1977) hat auf die Rolle solcher inneren Überzeugungen hingewiesen. Wenn derartige Sätze wie in Abb. 30 «in uns» sind, bestimmen sie in starkem Maße auch unsere gefühlsmäßigen Reaktionen auf das, was uns widerfährt. Als Psychotherapeut hat Ellis vor allem auf irrationale Überzeugungen hingewiesen, mit denen wir mehr oder minder indoktriniert sind und die neurotische Reaktionen nahelegen. Solche indoktrinierten Irrglauben sind z.B. (nach Ellis 1977):
«… es sei für jeden Erwachsenen absolut notwendig, von praktisch jeder anderen Person in seinem Umfeld geliebt oder anerkannt zu werden.» (S. 64)
«… dass man sich nur dann als wertvoll empfinden dürfe, wenn man in jeder Hinsicht kompetent, tüchtig und leistungsfähig ist.» (S. 66)
Ellis’ Therapie zielt entsprechend darauf ab, solche Irrglauben in der Person auszumachen und durch realistischere Überzeugungen zu ersetzen, das «innere Selbstgespräch» auf eine rationale Grundlage zu
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