Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation
mit starken eigenen Anteilen. Und damit er Ansatzpunkte sieht, diese eigenen Anteile gegebenenfalls zu überprüfen: «Du runzelst die Stirn – passt dir das nicht, was ich vorhabe?»
Jetzt kann er bestätigen («Ja, mir kommen diese und jene Bedenken …») oder korrigieren («Doch, doch – mir fiel nur gerade ein, dass wir dazu das Auto brauchen und ich noch keinen Inspektionstermin habe.») – oder auch bei sich nachschauen («Das Stirnrunzeln war mir gar nicht bewusst – ja, vielleicht bin ich etwas enttäuscht, dass du mir nicht vorher …»).
Ich halte es für eine ausgezeichnete Übung, den «inneren Dreierschritt» öfter einmal zu vollziehen:
Die drei beschriebenen Vorgänge sind die wichtigsten Elemente des «Bewusstseinsrades», wie es von Miller, Nunnally und Wachmann (1975) dargestellt wird. Diese Autoren gehen mit Recht davon aus, dass die innere Klarheit die wesentliche Voraussetzung für die zwischenmenschliche Kommunikation ist, und legen deswegen ihren Schwerpunkt auf die «intrapersonelle Kommunikation»:
«Der erste Schritt in jeder Kommunikation besteht darin, herauszufinden, was ich anderen mitteilen will. In der (persönlichen) zwischenmenschlichen Kommunikation handelt es sich dabei oft um Informationen über die eigene Person, aber häufig haben die Leute große Mühe damit, klarzukriegen, welche Informationen sie über sich selbst überhaupt haben.» (S. 28, Übers.: S. v. Th.)
Übung
(Zu zweit): A und B sitzen einander gegenüber. In der ersten Runde äußert A eine Minute lang nur Wahrnehmungen von B (z.B. «Ich sehe, wie deine Augen nach unten gerichtet sind» – Nicht aber: «Ich sehe, wie du traurig guckst») – Danach kommt B dran, ebenfalls eine Minute.
In der zweiten Runde äußert A Wahrnehmungen und Interpretationen (z.B. «Ich sehe, du lachst – und ich vermute, du bist ein bisschen verlegen»); danach B, beide jeweils wieder etwa eine Minute.
In der dritten Runde folgt der Dreierschritt: Wahrnehmung – Interpretation – eigene Reaktion darauf (z.B. «Ich sehe deinen geraden Scheitel – ich vermute, du legst viel Wert auf äußere Korrektheit – und ich merke, dass mich das etwas abstößt bzw. anzieht»). – Wieder jeweils A und B, ein bis zwei Minuten.
Anschließend Erfahrungsaustausch.
3.
Realitätsüberprüfung von Phantasien
Erst mit der Zeit bin ich dahintergekommen, dass ich oft gar nicht auf andere Menschen reagiere, wie sie sind, sondern auf die Phantasien, die ich mir von ihnen mache: «Er sieht müde aus, ich sollte ihn jetzt nicht mit Problemen belasten.» – «Ich werde sie nicht antelefonieren, bestimmt würde sie sich belästigt fühlen.»
Im oben beschriebenen Dreierschritt ist es der Punkt 2 (Interpretation), wo meine Phantasien über den anderen den Empfang der Nachricht mitbestimmen. Ich spreche von «Phantasien» (an Stelle von «Interpretationen»), wenn meiner Vermutung über Gedanken und Gefühle des anderen keine klar angebbare Wahrnehmung zugrunde liegt.
Für eine Verbesserung der Kommunikation geht es nicht darum, Phantasien so gut als möglich auszuschalten: Im Gegenteil, dies ist weder möglich noch wünschenswert. Vielmehr finde ich es nützlich, etwas über Phantasien und den Umgang mit ihnen zu wissen:
Phantasien über den anderen sind etwas von mir .
Sie können zutreffend oder unzutreffend sein.
Es gibt zwei Möglichkeiten, mit Phantasien umzugehen: sie für sich zu behalten und das eigene Verhalten danach auszurichten – oder sie mitzuteilen und auf Realität zu überprüfen («Ich vermute, du bist müde und willst jetzt nicht über Finanzen reden – stimmt das?»).
Dies ist eine wichtige Schaltstelle der zwischenmenschlichen Kommunikation – einmal werden hier die Weichen für klare Kommunikation gestellt; aber auch für mich als Einzelnen entscheidet sich hier die Frage von Kontakt und Isolation. Indem ich meine Phantasien als zutreffend annehme und für mich behalte, unterbreche ich den Kontakt und bleibe isoliert im selbsterbauten Käfig meiner Phantasien. Viele Menschen sitzen in diesem Käfig gefangen, ohne es zu wissen (leiden aber unter der «Oberflächlichkeit» ihrer Beziehungen) (s. Abb. 32).
Abb. 32:
Viele Menschen sind im Käfig ihrer Phantasien gefangen und vom Mitmenschen isoliert.
Das Fatale an dieser «Methode» ist, dass unzutreffende Phantasien nie eine Korrektur erfahren und auf diese Weise scheinbar jedes Mal bestätigt werden. Mehr noch: Sie neigen manchmal dazu,
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