Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation
Hause fühlt. Häufig entsteht in Gesprächsrunden geradezu eine Rangelei um den Heimspiel-Vorteil.
Das Bemühen um Selbstaufwertung zeigt sich somit sowohl im Inhalt als auch in der Form. Gern erzählt der Sender Vorfälle aus seinem Leben, aus denen indirekt hervorgeht, was für einer er ist. Meist macht er eine gute Figur dabei. Hier liegt die Imponierbotschaft im Inhalt. In der Form liegt sie, wenn der Sender eine Sprache benutzt, die die eigene Herausgehobenheit aus der Masse andeutet. So mag es vornehmer sein, irgendwo zu «weilen», anstatt irgendwo zu «sein»; sich zu «äußern», anstatt etwa zu «sagen». «Meistens gehen wir abends essen» ist nicht so gut wie: «Wir pflegen zur Nacht auswärts zu speisen.» «Über etwas zu verfügen» ist eine Spur besser als nur «etwas zu haben».
Ich will es mir ersparen, weitere Imponiertechniken aufzuzählen. Jeder mag durch Selbstbeobachtung den eigenen Techniken auf die Schliche kommen. Der Imponier-Inhalt hängt meist auch vom Empfänger ab: Dem einen kann man imponieren, indem man vom eigenen Swimmingpool erzählt, dem anderen vielleicht mit progressiven Ansichten, dem Dritten mit Bildung, dem Vierten mit schlüpfrigen Zoten und dem Fünften mit der Abwertung bestimmter Personen(-gruppen).
2.2
Fassadentechniken
Hierunter fallen alle Techniken, die darauf abzielen, negativ empfundene Anteile der eigenen Person zu verbergen oder zu tarnen. Überhaupt das Wort zu ergreifen – dazu gehört schon ein Mindestmaß an Selbstoffenbarungsmut, denn es könnte ja sein, dass mein Beitrag Rückschlüsse auf die Inkompetenz oder «Seltsamkeit» meiner Person zulässt (Si tacuisses …). Somit ist das Schweigen u.U. die konsequenteste Form der Angstabwehrfassade. Tatsächlich vermeiden viele Schüler, Fragen zu stellen («Nachher hält er mich für dumm!»); tatsächlich wagen nur wenige Studenten in Seminaren etwas zu sagen («Werde ich mich nicht blamieren?»); tatsächlich riskieren es auf Versammlungen oder sonstwo immer nur wenige, «den Mund aufzumachen».
Sobald der Sender den Mund aufmacht, treten andere Techniken in den Vordergrund. Vorweg gesagt: Die Fassadentechniken sind dem Sender teilweise derart in Fleisch und Blut übergegangen, dass sie zu seiner zweiten Natur geworden sind. Dieses automatische Sicherheitssystem sorgt auch dafür, dass dem Sender seine Selbstoffenbarungsangst gar nicht mehr spürbar wird. Vielleicht wird mancher Leser beim Abschnitt über die Selbstoffenbarungsangst gedacht haben: «Wie bitte, in jeder Kommunikation ist Selbstoffenbarungsangst mit im Spiel? Das ist wohl sehr übertrieben; ich jedenfalls merke davon nichts!» – Mit Hilfe der Selbstverbergungstechniken gelingt es uns, die Angst gar nicht erst aufkommen zu lassen. Wer nach allen Seiten hin Schutzwälle, Alarmanlagen und Abwehrkanonen errichtet hat, der mag sich sicher fühlen und die Angst nicht mehr spüren, die hinter der Errichtung und Aufrechterhaltung des Sicherheitssystems steht.
Fassadenhaftigkeit. «In unserem täglichen Leben begegnen wir Personen, die gleichsam hinter einer Fassade leben. Personen, die eine Rolle spielen, die Dinge sagen, die sie nicht fühlen.» (Tausch und Tausch 1977, S. 214) Dagegen sprechen die Tauschs von «Echtheit», wenn das äußere Gebaren in Übereinstimmung mit dem inneren Fühlen und Zumutesein ist.
Bin ich in Kontakt mit mir selber? – Dies ist die entscheidende Frage für die Selbstoffenbarungsseite der Nachricht. Wurzelt das Gesagte im eigenen Erleben, Fühlen und Denken? Kommt es sozusagen «von innen», oder handelt es sich um ein abgehobenes, flüchtiges Plapperwerk, so «fundiert» und «objektiv» es erscheinen mag?
Zunächst dient die Fassade zum Verbergen alles dessen, was der Sender an sich selbst «unansehnlich» findet, was sein Selbstwertgefühl bedroht. Die Devise: Keine Schwächen, keine Gefühle zeigen! – So fühle ich mich manchmal angegriffen, gekränkt oder ausgeschlossen, aber ich lasse mir nichts anmerken; ich habe Herzklopfen und Angst, aber ich tue so, als sei ich die Ruhe selbst. Ich ärgere mich, aber ich mache gute Miene zum bösen Spiel. – Besonders Richter (1974) hat darauf hingewiesen, dass in unserer Kultur vor allem Männer persönliche Leiden («Probleme haben») für unansehnlich halten und vor anderen – und vor sich selbst – zu verbergen trachten. «Bei mir ist alles in Ordnung» ist die Selbstsicht des «kranken Mannes, der nicht leiden darf». Dies gelte vor allem für
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