Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation
den Erfolgstyp, den «Typ A», der sich durch starken Ehrgeiz, starken Hunger nach Erfolg und sozialer Bestätigung sowie durch hektische Aktivität auszeichne.
Bei dem Verbergen innerer Zustände handelt es sich nicht nur um ein taktisches Manöver, bewusst oder schon automatisch eingesetzt. Vielfach sind die Gefühle tatsächlich auch in der Innenwelt nicht mehr spürbar. Wenn in der Kindheit bestimmte Gefühle (z.B. von Schmerz) nicht ausgedrückt werden durften, dann wurden diese Gefühle gleichsam fest verkorkt und abgespalten. Der «halbe Plus-Mensch» (vgl. Abb. 39), gleichsam ein Spiegelbild der Außenwünsche, konnte überleben. Die andere Hälfte tragen wir als Erwachsene fest verkorkt mit uns herum; der «Korken» besteht zum Teil in chronischen Muskelverspannungen, flachem Atem usw. – Mit der reduzierten Emotionalität lässt es sich zwar leben, aber nicht recht lebendig sein. Den Korken zu ziehen scheint – auch wenn die Gründe von damals nicht mehr bestehen – gefährlich: Werden die angestauten Affekte sich nicht mit einem «Knall» entladen, mich völlig überschwemmen und aus der Bahn werfen? Tatsächlich besteht psychotherapeutische und meditative (Schwäbisch und Siems 1976) Kunstfertigkeit darin, diesen Prozess der Integration abgespaltener Persönlichkeitsanteile zu dosieren, in verkraftbaren Schritten zu vollziehen.
Ich bin überzeugt, dass dieser Gedanke uns an eine der wichtigsten Wurzeln der Humanität heranführt, aber eben auch – im «verkorksten» Falle – an die Wurzel der Unmenschlichkeit. Denn der gnadenlose Kampf gegen die abgespaltenen Teile wird (projektiv) am Mitmenschen geübt, vor allem an «den anderen», den Sündenböcken, auch den Kindern, denen gegenüber wir die (den Teufel mit Schlägen austreibende) «schwarze Pädagogik» leider immer noch nicht überwunden haben (vgl. Miller 1980) und die wir erst nach Aussöhnung mit dem eigenen «Teufel» wirklich überwinden können.
Sprachliche Hilfsmittel zur Selbstverbergung. Die Fassade zeigt sich in der ganzen Art, sachlich und unpersönlich, abgehoben und abstrakt zu sprechen, ferner in eingeschränkter Mimik und Gestik, im abgeklärten Tonfall, kurzum: in einer sterilen Art, sich zu geben, die mehr an offizielle Kommuniqués erinnert als an einen spontanen, persönlichen Selbstausdruck. In einem Kontext, wo die menschliche Eigenart weniger gefragt ist als die verlässliche Erfüllung von Rollenerwartungen, garantiert ein solches Verhalten Sicherheit und – zumindest scheinbare – Reibungslosigkeit. Vor allem in der Arbeitswelt herrscht daher die Norm, alles Persönliche oder gar Gefühl «draußen vor» zu lassen.
Eine ich-ferne und selbstverbergende Kommunikation zeigt sich ganzheitlich – gleichwohl gibt es einige sprachliche Symptome, an denen der Versuch, sich von sich selbst zu entfernen und sich zu verbergen, erkenntlich wird. Es handelt sich gleichsam um sprachliche Minitechniken der Selbstverbergung:
«Man-Sätze». Gern benutzt der Sender die Man-Form, um Inhalte zu ent-persönlichen. Also nicht: «Ich bin sehr wütend, weil ich so lange warten musste!» – sondern: «Man wird wütend, wenn man so lange warten muss.»
Durch die Man-Form wird das eigentliche persönliche Erleben zu einem Spezialfall einer allgemeinen Gesetzmäßigkeit. «Man» teilt also nichts Persönliches über sich mit, sondern etwas über die ganze Menschheit.
«Wir». Dieselbe Funktion, nämlich das «Ich» zu vermeiden, haben häufig Sätze, die durch «Wir» dem Sender es gestatten, sich nicht persönlich zu exponieren, sondern sich in seinen Ansichten und Absichten in der Gemeinschaft aufgehoben zu wissen. «Wir sind offen für alles Neue, aber auch skeptisch, ob es etwas bringen wird» – äußert ein Teilnehmer zu Beginn eines Kommunikationstrainings. – «Wir wollen jetzt ins Bett gehen!», sagt die Mutter am abendlichen Familientisch. Diese Formulierung entspricht zwar selten der Realität, hat dafür aber den Vorteil, dass sie weniger exponierend ist, als wenn sie sagen würde: «Ich möchte jetzt ins Bett gehen, und ich möchte, dass ihr auch ins Bett geht!»
Fragen. Fragen haben oft die Funktion, mit der eigenen Meinung hinter dem Berg zu halten und stattdessen die Selbstoffenbarung des anderen herauszufordern. Dann sind sie kein Mittel zur Informationsgewinnung mehr, sondern eine Technik zur Sicherung der Oberhand. «Warum hast du dir das Kleid gekauft?» bedeutet vielleicht im Klartext: «Ich kann
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