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Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation

Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation

Titel: Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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Punktwert in den beiden Dimensionen charakterisieren. Bei diesem Verfahren wird unterstellt, dass es zwischen äußerst wertschätzenden und äußerst geringschätzenden Äußerungen viele Zwischenstufen gibt, desgleichen bei der Lenkungsdimension. Das Ergebnis einer solchen Beobachtung und Punktwertvergabe lässt sich in ein solches Koordinatenkreuz eintragen (s. Abb. 58).

    Abb. 58:
    Zwei wichtige Dimensionen auf der Beziehungsseite der Nachricht: die emotionale und die Lenkungsdimension.
    Natürlich gibt es viele Mischformen. Eingetragen in Abbildung 58, S. 189, sind vier «reine» Vertreter. Nr. 1 ist ein Sender, der in seiner Art zu kommunizieren dem anderen viel Wertschätzung ausdrückt, gleichzeitig aber lenkend, bevormundend und kontrollierend ist. Nr. 2 ist – wie man so sagt – ein «autoritärer Knochen»: Stark dominierend, einengend, gleichzeitig geringschätzende und herabsetzende Behandlung des Empfängers. Nr. 3 ist jemand, der den anderen nicht sehr achtet und ihm Abneigung ausdrückt, der gleichzeitig wenig lenkt, kontrolliert und bevormundet. Eine Art «laisser-faire» nach dem Motto: «Mach, was du willst!» Nr. 4 schließlich ist jemand, der den anderen als vollwertigen Partner behandelt, ohne zu bevormunden und durch dauernde Vorschriften einzuengen.

    Einschätzung einzelner Äußerungen. Für eine Feinanalyse der Kommunikation lassen sich auch einzelne Äußerungen in der emotionalen und in der Lenkungsdimension einschätzen. Hierzu ein Beispiel aus der familiären Erziehung:
    Die Familie will zu einer Feier und ist dabei, sich «fein zu machen». Die 14-jährige Tochter sagt: «Mutti, ich zieh meine Jeans an, ja?»

    Abb. 59:
    Vier mögliche Äußerungen einer Mutter.
    Die Reaktionen verschiedener Mütter sind zur Veranschaulichung in das Koordinatenkreuz eingetragen, und zwar jeweils in den passenden Quadranten (s. Abb. 59).

    Partnerschaftlichkeit durch Verhaltenstraining? Diese beiden Dimensionen des zwischenmenschlichen Verhaltens waren unser psychologisches Marschgepäck, als wir – Schüler und Mitarbeiter von Reinhard Tausch – um 1970 über Land zogen und alle diejenigen «trainierten», die, dem Zeitgeist entsprechend, auch im menschlichen Miteinander, vor allem in der Erziehung, «mehr Demokratie wagen» wollten. Es hatte mich dieser Gedanke fasziniert: Dass mit der politischen Demokratisierung des Staates und der Institutionen eine «innere Demokratisierung» des Verhaltens und der persönlichen Werte, also eine Demokratisierung der Charakterstrukturen, einhergehen müsse – und dass wir Psychologen mit unserem Wissen um die Prinzipien der Verhaltensänderung hier eine wichtige Rolle als Helfer der «inneren Reform» spielen können. Und ich war als Student der Psychologie überrascht und fasziniert von dem Gedanken, dass zwischenmenschliches Verhalten genauso geübt werden könnte wie Tennisspielen oder Autofahren. Grundsätzlich bejahe ich diese Denkrichtung auch heute. Allerdings ließen sich einige Naivitäten von damals mit der Zeit nicht aufrechterhalten. Die notwendigen Blickfelderweiterungen haben einerseits den Trainingsoptimismus gedämpft und den missionarischen Enthusiasmus zum Verschwinden gebracht, andererseits unser psychologisches Angebot entscheidend verbessert. – An welche «Naivitäten» und welche «Blickfelderweiterungen» denke ich dabei?
    Erstens, wir waren der Meinung, dass etwa autoritäres Verhalten das Resultat falscher Lernvorgänge sei und durch ein Umlernen in ein partnerschaftliches Verhalten einfach eingetauscht werden könne. So gaben wir den Teilnehmern «schwierige Erziehungssituationen» vor (wie etwa die auf S. 189) und ließen sie partnerschaftliche, nicht-autoritäre Reaktionen finden und übten diese in Rollenspielen ein. Dieses Vorgehen führt zu einer Psychologie der «ansprechenden Verpackungen» (vgl. S. 18f.). Zwar kann durchaus eine Verfeinerung der Wahrnehmung und eine Erweiterung des Verhaltensrepertoires erreicht werden – und in den Fällen, wo Repertoiremangel («Wie soll ich es denn sonst ausdrücken?») und bloße Unsensibilität («Wieso sollte sich der andere verletzt fühlen?») zu einem ungünstigen Verhalten führen, können solche Verhaltensübungen zu «Aha-Erlebnissen» und Änderungen führen. Jedoch liegen die Ursachen für Kommunikationsfehler meist «tiefer», ist die Art, wie wir senden und empfangen, ein tief eingewurzelter Teil unserer Gesamtpersönlichkeit. So mag eine herabsetzende

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