Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation
sich aus einigen wenigen leistungsrelevanten Dimensionen herleitet und auf einem Vergleich mit anderen beruht. – Fast jedes gesunde Kind wird sich einer solchen Situation wenigstens teilweise verweigern, wird «stören». Diese Störaktionen (Verhaltensstörungen, Apathie) wird der Lehrer gegen sich gerichtet fühlen (obwohl sie «eigentlich» an die Institution adressiert sind) – besonders, wenn er mit pädagogischem Elan und von dem Wunsch beseelt ist, einen «guten Unterricht» zu machen. Der Schüler wird ihm zur Frustration. Dazu mit dem Auftrag im Nacken, einen gewissen «Leistungsstand» zu garantieren und die «unmögliche Situation» im Griff zu behalten, wird er gegen die Störer vorgehen – mit Druck und mit Herabsetzung – die Etikettierung der störenden Schüler als «bösartig» oder «krank» schafft ihm Entlastung und Überlebenschance.
Diese Sichtweise führt überzeugend die Notwendigkeit der (schrittweisen) Änderung der Bedingungen vor Augen. Und sie hält den Psychologen (und Pädagogen) zur Bescheidenheit an, führt ihm die Begrenztheit seiner Möglichkeiten vor Augen und warnt ihn davor, durch psychologisierende Problembewältigung von den gravierenden Ursachen des Übels abzulenken. – Diese Sichtweise soll wiederum nicht zu folgendem Standpunkt verführen, wie er erstmals von Bernfeld (1925, Neuauflage 1967) tendenziell und von seinen Nachfolgern dann extrem vertreten wurde: Da sich die Bedingungen ändern müssen, ist jede individuelle Arbeit zur Persönlichkeitsbildung nicht nur nutzlos, sondern – wegen der systemerhaltenden Wirkung – schädlich, konfliktverschleiernd und vom «Feinde ablenkend».
Es gibt kein Leben ohne Bedingungen. Seien diese nun humanitätserleichternd oder -erschwerend: Immer kommt es entscheidend auf die Menschen an, die innerhalb und trotz dieser Bedingungen, u.U. auch gegen sie, die Menschlichkeit durch ihr Verhalten verwirklichen. Und es gibt keinen Grund, mit dem Abbau der humanitätsbehindernden Bedingungen innerhalb des Individuums zu warten, bis die äußeren Bedingungen besser sind.
Soweit ein kleiner Exkurs über unsere «Naivitäten von damals». Signer (1977) hat sie mit scharfem Blick in Augenschein genommen und wichtige Konsequenzen für psychologische Trainingskonzeptionen daraus gezogen.
2.2
Transaktionale Analyse
Ich möchte nach dem Verhaltenskreuz nun noch ein zweites Instrument vorstellen, das uns die Augen öffnen kann für das, was sich zwischen zwei Leuten auf der Beziehungsebene abspielt. Dieses Instrument, die sog. «Transaktionale Analyse», hat den Vorteil, dass es auch den Empfänger miteinbezieht und so das wechselseitige Hin und Her sichtbar macht. – Über die Transaktionale Analyse (TA), die auf den amerikanischen Psychiater Eric Berne («Spiele der Erwachsenen», 1967) zurückgeht, gibt es mehrere allgemeinverständliche Bücher (Harris 1975; Petzold und Paula 1976; Rogoll 1976), sodass hier eine knappe Einführung ausreicht.
Die TA geht davon aus, dass in jedem von uns drei Persönlichkeitsinstanzen vorhanden sind und sich (als jeweilige «Ich-Zustände») zu Worte melden können: Das Eltern-Ich , das Kindheits-Ich und das Erwachsenen-Ich .
Abb. 60 a:
Das Eltern-Ich.
Im Eltern-Ich ist alles das aufbewahrt, was die Eltern dem Kinde einst vermittelt haben: Hilfe und Behütung, Lebensweisheiten, aber auch Ermahnungen, Ge- und Verbote, Vorstellungen darüber, wie «man» sein soll. Und wenn wir kommunizieren, tönt es zuweilen aus diesem Teil unserer Persönlichkeit: «Ja, ja – die Jugend von heute» (klagender Tonfall dazu). Das Eltern-Ich hat zwei Aspekte (Abb. 60 b): Entweder zeigt es sich kritisch-verurteilend-moralisierend oder aber fürsorglich.
Abb. 60 b:
Zwei Aspekte des Eltern-Ichs.
Beispiele dafür, wie es aus dem kritischen Eltern-Ich tönt:
«Frau Meier, wenn Sie einmal etwas mehr Ordnung halten würden, dann würden Sie die Akte auch finden.»
Oder: «Lieber Herr Reuschenberger, so geht es nun wirklich nicht! Wenn jeder kommen und gehen wollte, wann er will, dann werden wir nie eine gedeihliche Zusammenarbeit haben!»
Aus dem fürsorglichen Eltern-Ich tönte es (auf S. 52f.) so: «Und zieh dir schön eine Jacke über, nicht? ’s ist kalt draußen!»
Abb. 61 a:
Das Kindheits-Ich.
Im Kindheits-Ich stecken noch alle Gefühle und Reaktionen von damals. Jeder erwachsene Mensch, wie «würdig», vernünftig und souverän er sich auch geben möchte, hat diesen «Dreikäsehoch»
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