Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation
Wahrnehmungstraining ist ein wichtiger Bestandteil jeder Verhaltensänderung, die Hälfte ist damit schon erreicht. Die andere Hälfte ergibt sich aus eigenem Tun: Der Lernende schreibt kurze Informationstexte und vergleicht jeweils anschließend seinen Text mit einem Expertentext. Zunächst übt er sich in der Verbesserung je eines Verständlichmachers, schließlich in der gleichzeitigen Verbesserung aller vier.
Mit solchem Training wird ein komplexes, ganzheitliches Lernen angestrebt. Damit ist gemeint: Der Lernvorgang wird nicht in kleine Detailschritte zerlegt (z.B. substantivische Wendungen in Verb-Formen umwandeln = ein Einzelaspekt von «Einfachheit»), sondern besteht im Wesentlichen in der Nachahmung von Vorbildern.
Trainingsprogramme liegen vor für Pädagogen (Langer, Schulz von Thun und Tausch 1981), für Schüler (Schulz von Thun u.a. 1975) und für Mathematiklehrer (Schulz von Thun und Götz 1976). Bei der Erprobung dieser Programme zeigte sich: Verständliche Darstellung ist keine Naturbegabung – man kann sie lernen.
III.
Die Beziehungsseite der Nachricht
1.
Überblick («Wie redet der eigentlich mit mir?»)
«Wie redet der eigentlich mit mir?», mag jemand denken, der sich – sagen wir – herablassend behandelt fühlt.
Dieser Jemand reagiert damit nicht auf den Sachinhalt der Nachricht. Dem mag er zustimmen. Sondern er reagiert auf die Art, wie der Sender ihn anspricht. In diesem Wie kommt zum Ausdruck: «So stehe ich zu dir, so sehe ich dich.» Dieses Wie wird durch die Art der Formulierung und durch den Tonfall, auch durch Mimik und Gestik zum Ausdruck gebracht.
Diese dritte Seite der Nachricht ist von außerordentlich großer Bedeutung in der zwischenmenschlichen Kommunikation. Ich kann nicht Sachinhalte vermitteln, ohne gleichzeitig den anderen als Menschen in irgendeiner Weise zu behandeln (oder misshandeln). Allein dadurch, dass ich überhaupt das Wort an ihn richte, zeige ich, dass er nicht «Luft» für mich ist!
Während die Sachbotschaften sich überwiegend an den Kopf des Empfängers richten und von seinem Verstand empfangen und ausgewertet werden, gehen die begleitenden Beziehungsbotschaften gleichsam direkt ins «Herz» (s. Abb. 56).
Abb. 56:
Während sich die Sachbotschaft mehr an den Verstand wendet, geht die Beziehungsbotschaft gleichsam direkt ins «Herz».
Beim Empfang der Selbstoffenbarungsseite war der Empfänger ein relativ unbeteiligter Diagnostiker («Aha, so einer bist du») – von den Beziehungsbotschaften hingegen ist er persönlich betroffen («Was – so einer soll ich sein!?»). An dieser persönlichen Betroffenheit mag es liegen, dass der Empfänger ein sehr starkes «Ohrenmerk» auf diese Seite der Nachricht hat. Ehetherapeuten wissen ein Lied davon zu singen, dass manche Partner fast nur auf den Beziehungsaspekt reagieren und den Inhalt gar nicht richtig zur Kenntnis nehmen. Sie sehen in der Beziehungsseite das «Eigentliche». «Der andere reagiert gefühlsmäßig (und meist unbewußt) nicht in erster Linie darauf, was der Partner sagt, sondern wie er es sagt.» (Mandel u.a. 1971, S. 124)
Die Bedeutung der Beziehungsbotschaften liegt jedoch nicht nur in der gefühlsmäßigen Augenblickswirkung, sondern auch darin, dass sie langfristig zum Selbstkonzept des Empfängers («So einer bin ich also!») beitragen (s. Kap. 5, S. 216ff.).
Die Bedeutung der Beziehungsseite wurde in den letzten Jahrzehnten zunehmend auch für die Pädagogik und für das Arbeitsleben betont. Nach heutiger Auffassung vollzieht sich die Persönlichkeitsbildung weniger nach Maßgabe dessen, was gelehrt wird («sachlicher» Lehrstoff), sondern nach Maßgabe der Zigtausende von Beziehungsbotschaften, die das Kind und der Schüler zu seiner Person empfängt. Dass Unterricht und Erziehung immer gleichzeitig stattfinden, ist direkt an der Quadratur der Nachricht ablesbar. Zu beachten ist hier, dass solche Beziehungsbotschaften nicht nur aus dem Munde von Menschen kommen, sondern auch – anonym und unterschwellig – von institutionellen Gegebenheiten ausgehen (s. S. 218f.).
Auch für das Arbeitsleben ist der Beziehungsaspekt von weitreichender Bedeutung. Wie werde ich behandelt – wie gehen wir miteinander um? Tagtägliche Lebensqualität hängt hiervon ab. Und nicht nur das: Untersuchungen zum «Betriebsklima» und zum «Führungsstil» haben einen engen Zusammenhang mit Einsatzbereitschaft und Leistung nachgewiesen. Es ist ja naheliegend: Wenn mir täglich in
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