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Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation

Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation

Titel: Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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«unverschämten Ton».
Beziehung: Die wehleidig-anschuldigende Art sagt: «Ich leide, und zwar durch deine Schuld!» Das ruft Schuldgefühle und innere Empörung hervor.
    Beziehung: Er gibt zu erkennen, dass er in dem Fehler der Sekretärin etwas Pathologisches sieht, gefällt sich in der Pose des gönnerhaften Therapeuten. Reaktion der Sekretärin: vermutlich stark negativ.
    Beziehung: Etwas von oben herab, aber ansonsten wegen der Ironie sehr uneindeutig . Kumpelhafte Flachserei? Oder heißt der Klartext: «Ich halte Sie für eine so große Belastung, dass ich nur noch mit Galgenhumor über die Runden komme?» Auch die Sekretärin wird unsicher sein, wie sie den Beziehungsaspekt deuten soll. Es sei denn, sie «kennt» den Chef und weiß, «wie es gemeint ist».
    2.1
    Das Verhaltenskreuz
    Empirische Untersuchungen zum Vorgesetzten- und Erzieherverhalten (vgl. z.B. Tausch und Tausch 1977) legen nahe, dass es vor allem zwei «Techniken» gibt, den Empfänger auf der Beziehungsseite zu misshandeln: Herabsetzung und Bevormundung. Etwas ausführlicher gesagt: In der Art, ihre unterstellten Mitarbeiter bzw. Jugendliche zu behandeln, unterscheiden sich die Vorgesetzten/Erzieher vor allem in zwei Hauptmerkmalen: 1. Wertschätzung vs. Geringschätzung und 2. Lenkung/Bevormundung vs. Einräumen von Entscheidungsfreiheit. Die Kombination dieser beiden Merkmale ergibt das Verhaltenskreuz in Abb. 58, zunächst jedoch möchte ich sie einzeln erläutern:

    1. Wertschätzung. Damit ist gemeint: In dem, was der Sender sagt, bringt er zum Ausdruck, dass er den Empfänger als achtenswerte, vollwertige, gleichberechtigte Person ansieht und dass er ihm Wohlwollen entgegenbringt. Dazu gehören Höflichkeit und Takt, freundliche Ermutigung und Reversibilität im Sprachverhalten. Reversibilität heißt so viel wie «Umkehrbarkeit». Damit ist gemeint: Der Sender spricht zum Empfänger in einer Weise, wie der Empfänger auch umgekehrt zum Sender sprechen dürfte, ohne die Beziehung zu gefährden. Dieses Untermerkmal ist besonders in hierarchischen Beziehungen von Bedeutung, so in der Beziehung Eltern – Kind, Lehrer – Schüler, Vorgesetzter – Untergebener.
    Weil hier leicht Missverständnisse entstehen, möchte ich auch darauf hinweisen, was mit «Wertschätzung» nicht gemeint ist: nämlich gleichbleibende Freundlichkeit und In-Watte-Packen. Wertschätzung ist keine «warme Milch», sondern eine respektierende Art, den anderen als vollwertigen Partner auch bei Konflikten und harten Auseinandersetzungen zu achten.
    Mit Geringschätzung ist gemeint: Der Sender behandelt den Empfänger als minderwertige Person – abweisend, herabsetzend, demütigend, emotional kalt, von oben herab. Weiter gehören dazu: nicht ernst nehmen, lächerlich machen, beschämen, Abneigung zeigen. Dann auch «Irreversibilität»: Der Sender verhält sich zu dem (meist untergeordneten) Empfänger in einer Weise, wie es sich dieser ihm gegenüber nicht «erlauben» dürfte (vgl. die Chefs Nr. 2 bis 5).

    2. Lenkung/Bevormundung. Damit ist ein Verhaltensstil gemeint, der darauf angelegt ist, den Empfänger in seinem Denken und Handeln weitgehend unter den eigenen Einfluss zu bringen, z.B. durch Anweisungen, Vorschriften, Fragen, Verbote usw.
    Wenig Lenkung und Bevormundung liegt vor, wenn der Sender dem Empfänger durch seine Nachricht zu verstehen gibt, dass er ihm weitgehend eigene Entscheidungen und selbständige Aktivität einräumt.
    Ein hohes Ausmaß an Lenkung und Kontrolle löst beim Empfänger vielfach inneren Widerstand aus. «Ich hab keine Lust, mir dauernd Vorschriften machen oder über die Schulter gucken zu lassen!» In solchen Äußerungen drückt sich der Wunsch nach Selbstbestimmung, Eigeninitiative und freier Entfaltung aus. In der Erziehung verhindert ein hohes Ausmaß an Lenkung die Entwicklung von Selbständigkeit und Lernen von sinnvollem Gebrauch der Freiheit. Mancher Trotz im Kindesalter und manche jugendliche Auflehnung wird als Protest gegen eine übertriebene Gängelung verständlich.

    Kommunikationsdiagnostik auf der Beziehungsseite der Nachricht. Mit der emotionalen und der Lenkungsdimension haben wir einen bedeutsamen (wenn auch groben) diagnostischen Rahmen, um den Beziehungsaspekt der zwischenmenschlichen Kommunikation zu beschreiben. Wenn wir Erzieher oder Vorgesetzte (aber auch Ehepartner, Arbeitskollegen usw.) eine Zeitlang beobachten, wie sie mit ihren Untergebenen usw. umgehen, dann können wir sie durch je einen

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