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Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation

Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation

Titel: Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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vielfacher Form (vor allem «zwischen den Zeilen») demonstriert wird: «Du bist hier eine ganz kleine Nummer; was du denkst, ist unwichtig. Halte dich zurück – wer bist du schon!?» – dann fühle ich mich menschlich demoralisiert und werde kein Selbstwertgefühl und keine Freude an Eigenverantwortlichkeit entwickeln. Vielleicht werde ich nach allerlei Möglichkeiten Ausschau halten, mich dennoch «wichtig zu machen» – nicht immer zum Vorteil einer sachgerechten Kooperation. Fühle ich dagegen, dass man meine Ansichten wirklich ernst nimmt – dann bildet mein Gefühl von Vollwertigkeit die Grundlage für Arbeitszufriedenheit und Einsatzbereitschaft. – In dieser Einsicht liegt gleichzeitig wiederum eine große Gefahr: Dass die Beziehungsseite der Nachricht funktionalisiert wird; dass Vorgesetzte in einem «Human-relations-Training» darin ausgebildet werden, das Gefühl von menschlicher Vollwertigkeit an ihre Mitarbeiter zu vermitteln, jedoch nicht als Ausdruck humaner Einstellung, sondern als wirkungsvolles Mittel der Motivierung (s. Kap. 7, S. 236).

    Zwei Aspekte des Beziehungsgeschehens. Genau genommen enthält die Beziehungsseite der Nachricht zwei unterschiedliche Aspekte. Für den Fortgang der Gedanken ist es nötig, diese beiden Aspekte voneinander zu unterscheiden. Zum einen drückt sich hier aus, wie der Sender den Empfänger sieht, was er von ihm hält. Die entsprechende Du-Botschaft lautet: «So einer bist du (in meinen Augen)!» – Zum anderen enthält diese Seite eine Beziehungsdefinition des Senders: «So stehen wir zueinander (… nicht wahr?)» – s. Abb. 57.

    Abb. 57:
    Zwei Aspekte der Beziehungsseite.
    Wenn der Dienstbote eines größeren Unternehmens auf dem Flur seinen Direktor trifft und ihn fröhlich fragt: «Hallo, alter Junge, wie geht’s – was macht die Ehe?» – dann enthält diese Nachfrage eine sehr vertrauliche Beziehungsdefinition, die der Direktor wahrscheinlich nicht teilt und daher erstaunt-entrüstet reagiert, durchdrungen von dem Gefühl: «Unverschämtheit, wie der mit mir redet – so stehen wir doch nicht zueinander!»
    Um diesen Unterschied begrifflich zu markieren, wollen wir sagen: Die Beziehungsseite der Nachricht enthält eine Du-Botschaft und eine Wir-Botschaft. Nicht immer sind diese beiden Aspekte deutlich trennbar. Dennoch ist die Unterscheidung kommunikationspsychologisch sinnvoll, und im Folgenden möchte ich zunächst auf die Probleme der Du-Botschaft und erst dann auf die Probleme der Beziehungsdefinitionen (Wir-Botschaften – Kap. 4, S. 206) eingehen.

    Chef und Sekretärin. Wie unterschiedlich die Beziehungsseite bei etwa gleichem Sachinhalt und gleichem Appell ausfallen kann, sei an folgendem Beispiel gezeigt: Der Chef merkt, dass seine Sekretärin eine Akte falsch eingeordnet hat. Hören wir, wie sechs verschiedene Chefs reagieren (leider kann der Tonfall schriftlich nicht mitgeteilt werden – er ist hier aber von großer Bedeutung) – s. S. 213/214!
    2.
    Instrumente zur Erfassung des Beziehungsgeschehens
    Neben den nachfolgenden sechs Beispielen gibt es zig Möglichkeiten, dem anderen auszudrücken, wie man zu ihm steht. Wenn wir unter Verzicht auf Nuancen die Vielfalt des Geschehens reduzieren und ordnen wollen, dann können wir auf wissenschaftliche Bemühungen zurückgreifen. Zwei Instrumente möchte ich vorstellen, die sich dazu eignen, das zwischenmenschliche Beziehungsgeschehen deutlicher werden zu lassen: das Verhaltenskreuz (2.1) und die Transaktionale Analyse (2.2).

Beziehung: Der Chef gibt zu erkennen, dass Fehler sein dürfen, und behandelt die Sekretärin kollegial-sachlich. Sie reagiert vermutlich gefühlsmäßig positiv oder neutral.
    Beziehung: Freundlich, aber der Chef nutzt ein kleines Versehen für eine umständliche Lektion. Die Sekretärin wird «wie eine Schülerin» behandelt. Ihre Fähigkeit zur Informationsverarbeitung wird eher niedrig eingeschätzt («können Sie sich das merken?»). Das Versehen wird ziemlich «breitgetreten» – der Chef hebt seine Überlegenheit in diesem Punkt stark hervor. Sie reagiert vermutlich gefühlsmäßig negativ.
    Beziehung: Der Chef demütigt die Sekretärin durch inquisitorisches und schulmeisterliches Verhalten; er stellt ihr ihr «Versagen» drastisch vor Augen und würdigt die Entschuldigung durch einen Witz herab, der durch seine grobe Schlagfertigkeit zusätzlich demonstriert, wer hier Herr der Lage ist. Sie reagiert stark negativ auf diesen

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