Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation
Gegenübers Einfluss nehmen. Diese Art der «psychologischen Kriegsführung» sei an folgendem Alltagsbeispiel demonstriert.
Unerwarteter Besuch an der Haustür. Ich sitze zu Hause am Schreibtisch. Es klingelt an der Tür. Eine lästige Unterbrechung. Ein mir unbekannter junger Mann. Will der etwa was verkaufen? Mein abweisender Grenzwächter betritt das innere Spielfeld, einsatzbereit, diesen unerwünschten Kontakt schon im Keim zu ersticken. Der Mann stellt sich höflich vor und wahrt den Abstand, bleibt einen Meter vor der Tür stehen (mein Grenzwächter ist beruhigt und muss nicht aufrüsten). Er komme von einem bekannten Verlag (nennt den Namen) und führe eine Meinungsbefragung durch zum Thema «Vorurteile gegen jugendliche Straftäter»; ob ich ihm wohl drei Minuten – länger gewiss nicht – zu einigen Fragen meine Meinung sagen würde. Na ja, man möchte kein Unmensch sein: Wenn dem Mann mit drei Minuten geholfen ist … der Hilfsbereite betritt das Spielfeld, der Grenzwächter tritt (innerlich) zwei Schritte zurück und schaut auf die Uhr.
Abb. 80:
Anfängliche innere Mannschaftsaufstellung an der Haustür
Nun stellt der Besucher seine Fragen: Ob ich der Meinung sei, dass jugendliche Straftäter nach ihrer Haftentlassung mit Vorurteilen rechnen müssten bei Arbeitgebern, in der Bevölkerung, wohl auch bei mir persönlich? Ob ich der Meinung sei, dass man solchen, die nun ein ordentliches Leben führen wollten, eine Chance geben müsste? Ja doch, unbedingt! Wer würde nicht in sich die Überzeugung auffinden, dass solchen Menschen die Chance für einen Neuanfang eröffnet werden muss. Neben dem Hilfsbereiten steht nun nach etwa zwei Minuten der Tolerante und Wohlwollende an vorderster Kontaktlinie. Der Grenzwächter schläft ein wenig.
Nun erwähnt der junge Mann fast beiläufig, dass er selbst auch so ein entlassener Häftling sei: nur ein Verkehrsdelikt – aber dann die ganze Strenge des Gesetzes. Plötzlich wird aus dem anonymen «Meinungsbefrager» ein betroffener Mitmensch: Ach, Sie Ärmster! Der Mitleidige betritt das Spielfeld, wohl auch der schuldbewusste Privilegierte . Aber auch der Grenzwächter wacht wieder auf, besonders, als der «Meinungsbefrager» und «Betroffene» sich nun doch auch drittens als Verkaufsanbieter zu erkennen gibt: Schon ein einziges Abonnement würde seine Chancen auf einen beruflichen Neuanfang erheblich verbessern …
Sofort leuchten beim Grenzwächter alle Alarmlampen auf – er ist ganz wieder da. Aber die Kontaktlinie ist besetzt. Da tummeln sich noch der Hilfsbereite , der Tolerante , der Wohlwollende , der Mitleidige und der Schuldbewusste . Große Irritation, inneres Durcheinander.
Abb. 81:
Innere Aufstellung des Empfängers an der Haustür nach raffinierter Manipulation
Der Ausgang? Ungewiss. Aber in jedem Fall eine enorme Chancenverbesserung gegenüber der Anfangssituation, als noch der abweisende Grenzwächter allein auf weiter Flur war.
In meinem Fall hat der Grenzwächter das Abonnement abgelehnt, und die Wohltäter in der Vorderreihe haben jeder einen Euro (insgesamt 5 Euro) gegeben. Zu spät empörte sich ein Naiver , der sich hereingelegt fühlte, und übergab den Fall an den Kommunikationswissenschaftler zur weiteren Auswertung – auch eine Art von Teamarbeit …
Die Mannschaftsaufstellung bezogen auf die eigene Person
Wenn wir von «personenbezogenen Mannschaftsaufstellungen» sprechen, dann ist ebenfalls (und nicht zuletzt) daran zu denken, dass wir auch uns selbst gegenüber eine solche Grundaufstellung entwickelt haben. Die Summe aller Botschaften, die hier laut werden, bilden die Grundlage unseres Selbstwertgefühls. Dieses kann insgesamt eher gut oder eher schlecht sein, in jedem Fall ist auch hier mit innerer Uneinigkeit zu rechnen, folglich wird es in der Regel widersprüchlich sein.
Dass der Mensch zugleich Subjekt und Objekt der Selbstbewertung sein kann, kommt zugespitzt in einem Ausspruch des amerikanischen Komikers Groucho Marx zum Ausdruck: «Ich würde nie einem Klub beitreten, der mich als Mitglied akzeptiert!» Weniger witzig wird die Sache, wenn jemand von einer tiefen Überzeugung durchdrungen ist, dass mit seinem Partner etwas nicht stimmen kann, wenn er ihn liebt. Gottlob sind solche Stimmen («Ich bin nicht liebenswert!») meist nicht die einzigen im Inneren Team. Manche Menschen berichten davon, dass einzelne Mitspieler zu bestimmten Zeiten ihren großen Auftritt haben: «Morgens, nach dem Aufwachen, finde
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