Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation
ich mich zwei Stunden lang nur zum Kotzen, vermeide es, in den Spiegel zu schauen, und rechne mich dem Abschaum der Menschheit zu. Aber Sie sollten mich am frühen Abend sehen: In einem Rausch von Selbstgefühl sehe ich die Welt mir zu Füßen liegen, finde mich selbst phantastisch und unwiderstehlich!»
Dies ist ein Extrembeispiel, aber wohl jeder kennt das Wechselspiel von Stimmungen, in denen wir mit unterschiedlichen Selbstbewertern in Kontakt kommen: mit dem inneren Niedermacher zum Beispiel, und dann wieder mit einem stolzen Oskar , der unseren Charakter, unsere Kompetenz und tägliche Lebensleistung mit Anerkennung und Wohlgefallen würdigt. Solche Stimmungen sind ja nichts anderes als seelische Musik, die vom jeweils vorherrschenden Chor innerer Stimmen erzeugt wird. Und wer seine Stimmungen ergründen will, kann auf den Text der Einzelstimmen lauschen, die am Chor beteiligt sind.
Die inneren Botschaften der Selbstbewerter sind, wie alle Äußerungen, quadratisch (vgl. S. 39). Ihr Hauptakzent liegt entweder auf der Beziehungs-Seite («Du bist ein Versager, eine grundehrliche Haut …») oder auf der Appell-Seite («Sei perfekt, edel, hilfreich, gut und allzeit erfolgreich!»). H. und S. Stone (1994) haben den Eindruck gewonnen, dass in der selbstbezogenen Grundaufstellung des westlichen Erfolgsmenschen ein Triumvirat vorherrscht, bestehend aus dem Perfektionisten , dem Kritiker und dem Antreiber (der seinerseits Kapitän einer ganzen Untermannschaft sein kann, vgl. S. 208 (s. Abb. 82).
Abb. 82:
Typische Aufstellung des westlichen Erfolgsmenschen bezogen auf das eigene Selbst
Wenn diese drei überwiegend den Ton angeben, entsteht ein schreckliches Betriebsklima im Innendienst, mag auch der Außendienst tapfer seiner Aufgabe nachkommen. Selbst wenn wir uns hier in der Domäne der Psychotherapie befinden, bricht dieses Thema notgedrungen auch in der beruflichen Fortbildung sozialer Kompetenzen immer wieder durch. Wie damit umzugehen ist, ist uns bereits aus dem Kapitel «Innere Widersacher» (S. 197ff.) vertraut. Vor allem kann und muss der innere Gegenspieler, der ermutigende Würdiger , geweckt, gestärkt, trainiert werden, zum Beispiel durch den Vorschlag: «Stell dich mal hinter diesen Stuhl, und halte eine kleine Lobrede auf dich selbst!»
5.3
Themenbezogene Mannschaftsaufstellungen
Im vergangenen Kapitel sind wir auf die Tatsache gestoßen, dass unsere Grundaufstellung gegenüber verschiedenen Mitmenschen unterschiedlich ist und dass auch uns selbst gegenüber eine charakteristische Mannschaft im Einsatz ist. Werfen wir jetzt noch einen Blick auf innere Mannschaftsaufstellungen, die sich angesichts bestimmter Lebensbereiche oder Lebensthemen (Geld, Erziehung, Politik, Sexualität …) konfigurieren. Auch hier betreten wir ein weites Feld – was in der Sozialpsychologie unter die Kategorie «Einstellungen» fällt, betrachten wir hier als «Aufstellungen» und rechnen damit, dass sie beileibe nicht nur eindeutige Stellungnahmen enthalten, sondern aus einer Gruppe von Wortmeldungen bestehen, die vielgestaltig und widersprüchlich sein werden. Diese Gruppe von Wortmeldungen wird noch einmal unterschiedlich ausfallen, je nachdem, wie konkret ein Lebensthema gefasst ist, lautet das Thema: «Wie ist meine Einstellung zur Asylantenfrage?» oder konkreter: «Wie stehe ich zum Bau eines Asylantenheims in unserer Straße?»
Die Persönlichkeitstheorie Fritz Riemanns im Licht des Modells vom Inneren Team
Zur Darstellung themenbezogener Mannschaftsaufstellungen greife ich ausnahmsweise auf eine Persönlichkeitstheorie zurück. Ich sage «ausnahmsweise», weil das Modell vom Inneren Team von seiner Idee und von seiner Anwendungspraxis her phänomenologisch orientiert ist, und das heißt: Wir schauen einfach, wer in dir, wer in mir wirksam ist und mit welcher Botschaft er sich zu Wort meldet – unabhängig davon, ob ein solches seelisches Teilmitglied in irgendeiner Theorie vorgesehen ist. Wenn wir hier die Theorie von Riemann (1969) mit dem Modell des Inneren Teams verbinden, dann deshalb, um das weite Feld etwas einzugrenzen, um die phänomenologische Vielfalt auf zwei Dimensionen zurückzuführen.
Auf diese beiden Dimensionen greifen wir in unseren Kommunikationskursen gern zurück, wenn wir auf menschliche Unterschiede zu sprechen kommen (vgl. Thomann und Schulz von Thun 1988, S. 149–174). Die sich ergebenden vier Pole, die vier Grundstrebungen der menschlichen Persönlichkeit, können
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