Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation
beantragen …, das könne Tage und Wochen dauern, und sicher sei es nicht leicht, einen Termin zu finden, denn in der Sprechstunde ganz unmöglich usw. usf. – Wenn überhaupt, könne es sich ohnehin nur um eine Erläuterung der Note handeln, eine Veränderung aufgrund einer Aussprache oder gar einer Verhandlung sei von vornherein ausgeschlossen … – Klartext: Zieh deinen Antrag zurück, dann haben wir beide eine Sorge weniger!
Abb. 37:
«Vorgeschobener» Bürokrat im Vorgespräch
Die meisten ließen sich nicht abwimmeln, und in das unausweichlich gewordene Gespräch schleppte ich meinen inneren Teamkonflikt hinein: An der vordersten Kontaktlinie standen Hand in Hand der Hochschulpädagoge («Ich will es Ihnen gern mal erklären!») und der korrekte Beamte («Sie haben einen Anspruch auf Erläuterung!»). Knapp dahinter allerdings stand der genervte Massen-Prof , schaute auf die Uhr, die zugleich seine Lebenszeituhr war, und verbreitete eine leicht grimmige Ausstrahlung. Sobald sich auf Seiten des Gegenübers eine gesprächsverlängernde «Uneinsichtigkeit» zeigte, wurde dieses Mitglied aktiv und fuchtelte mit seiner atmosphärischen Mistgabel an der Kontaktlinie herum. – Die Gespräche verliefen, um es gelinde zu sagen, unerfreulich; endeten in ein oder zwei Fällen sogar mit einem lauten Eklat.
So konnte es nicht weitergehen. Ich konnte damals auch noch nicht ahnen, dass dies einmal ein gutes Musterbeispiel für «Kundenvergraulung aufgrund eines verschleppten Teamkonflikts» abgeben würde.
Das Oberhaupt beschloss, dass etwas geschehen müsse, dass die bis dahin nicht konsequent zu Ende geführte innere Ratsversammlung nachzuholen sei. Da es der genervte Massen-Prof war, der für eine halbherzige und gereizte Gesprächsführung sorgte, konzentrierte sich die Aussprache auf seine «Person»: Was er denn dagegen habe, ein unausweichliches und darüber hinaus pädagogisch sinnvolles Gespräch zu führen? Er verwies auf die permanente Mehrbelastung durch große Studentenzahlen – vor allem darauf, dass es prinzipiell nicht möglich sei, sechzig Erläuterungsgespräche zu führen. Wozu also Extrawürste für Einzelne braten? Wenn da jeder käme!
In der Tat, so das Oberhaupt, das würde alle zeitlichen Möglichkeiten sprengen. Wie viel Zeit er denn maximal einzusetzen bereit sei? Maximal zwei mal zwei Stunden nachmittags pro Prüfungsperiode, o.k. – Wie wäre es denn, wenn wir von vornherein diese zwei mal zwei Stunden fest in den Terminkalender eintragen würden? Das macht doch psychologisch einen wichtigen Unterschied, ob jemand als «Eindringling» erscheint oder ob für ihn bereits reserviert ist!? Wenn nun viele kommen (was nicht zu erwarten ist), müssen sie sich die Zeit teilen, wenn nur einer kommt, kann das Gespräch völlig ohne Zeitdruck ablaufen – und wenn keiner kommt: geschenkte Lebenszeit! Bist du bereit, das einmal zu probieren? Ja, aber zusätzlich sollten wir nicht mehr alle Fragen durchgehen, sondern uns beschränken und konzentrieren auf diejenige(n), die besonders zum erwartungswidrigen Ergebnis beigetragen haben! – Das fand auch der Pädagoge sinnvoll und der Beamte vertretbar – zumindest vorschlagen sollten wir dem Kandidaten diese Beschränkung.
Das empirische Ergebnis dieser «inneren Reform» übertraf alle Erwartungen. Meist kamen nur ein bis zwei Studierende – der eine Nachmittag reichte, und der andere schenkte frei verfügbare Zeit. Ausnahmslos akzeptierten alle die Konzentration auf die kritischen Aufgaben. Aber viel wichtiger: Die Gespräche verliefen sämtlich erfreulich und ergiebig; trotz des unangenehmen Inhalts (warum war die Leistung schlechter als selbst eingeschätzt?) bedankten sich manche Studierende zum Schluss ausdrücklich für das Gespräch.
Dieses kleine persönliche Beispiel ist nicht weltbewegend – oder doch? Meine Studenten und ich sind immerhin auch von dieser Welt! Es wird daran aber ein Prinzip deutlich, das von allumfassender Bedeutung ist: Wer immer wo immer in welcher Rolle immer folgenreiche Gespräche zu führen hat, sollte darin geübt sein, innere Teamkonflikte zu identifizieren und wenn möglich aufzulösen. Bei der Schulung von Führungskräften ist dies zum Beispiel bei Beurteilungsgesprächen von besonderer Dringlichkeit (vgl. Hager und v. d. Laan 1992). In vielen Unternehmen sind diese pflichtgemäß in regelmäßigen Abständen mit den einzelnen Mitarbeitern zu führen. Dies ist gut gemeint und wohl begründet:
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