Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation
Generell (situationsübergreifend) ist sie dann, wenn auf der inneren Bühne immer ein Mitspieler auftritt, der dem jeweiligen Wortführer den Satz «Aber so wichtig ist das eigentlich nicht!» hinterherschickt (s. Abb. 39). Das Drama lässt sich gut aufführen. «Meine Damen und Herren!», sagt der Wortführer, «hören Sie, was ich zu verkünden habe.» – «Aber so wichtig ist das eigentlich nicht!», raunt der Selbstentwerter dem Publikum zu.
Abb. 39:
Innere Gegeneinanderarbeit von Wortführer und Selbstentwerter
Das kommunikative Ergebnis einer solchen Gegeneinanderarbeit besteht in einer leisen Stimme, einem hastigen Sprechtempo, der Bereitschaft, sich von anderen Menschen unterbrechen zu lassen, und in eingestreuten selbstentwertenden Floskeln. Hier zum Beispiel ein Beitrag auf einer Elternbesprechung:
«Also ich finde ( beginnt zu sprechen, während andere sich noch unterhalten ), wir sollten den Ausflug vielleicht lieber erst nach den Ferien machen – ich mein’, das ist vielleicht auch nicht so wichtig, ich wollt’ das nur mal …, weil dann alle mitmachen können, die vorher noch beim Schwimmen sind, aber ich weiß auch nicht …»
An den kursiv gesetzten Stellen mischt sich der Selbstentwerter (oft ist es eine Selbstentwerter in ) ein und nimmt mit ihrem Refrain «Ich bin nicht wichtig!» dem Beitrag von vornherein jeden Nachdruck, jedes Gewicht. Oft fühlen sich die Gesprächspartner herausgefordert, nach solchem (verbalen) «Kleingeld» mal einen richtigen (verbalen) Hundertmarkschein auf den Tisch zu packen – und schon polarisieren sich in einer Gesprächsrunde die kommunikativen Schwergewichte und die Fliegengewichte. Auf den Umgang mit solchen inneren Widersachern kommen wir noch wieder zu sprechen (s. S. 197ff.). Wir ahnen aber bereits, dass hier rhetorische Übung nicht ohne eine «innere Teamentwickung» erfolgreich sein kann.
Punktuelle Schwächung. Von einer punktuellen Schwächung der eigenen Wirksamkeit sprechen wir dann, wenn der unaufgelöste Teamkonflikt auf eine bestimmte Situation, ein bestimmtes Thema, eine bestimmte Person(engruppe) bezogen ist. Mit Unbehagen erinnere ich mich zum Beispiel an den Beginn meiner Studienzeit (1967), als die Uni-Szene von den «Linken» beherrscht wurde und ich nicht recht wusste, was ich davon halten sollte/wollte. Einerseits schienen das gute Menschen zu sein: In ihrem Engagement für die Unterdrückten und die Ausgebeuteten, für die leidende Bevölkerung in Vietnam, waren sie mir, dessen Horizont kaum weiter reichte als bis zu den persönlichen Belangen, moralisch weit voraus. Und wie respektlos und couragiert sie mit den etablierten Autoritäten umgingen! Was war ich dagegen für ein ängstlicher Duckmäuser! Zur Eröffnungsfeier für uns Erstsemester im Hamburger Audimax trugen sie das berühmt gewordene Spruchband «Unter den Talaren – Muff von 1000 Jahren» und gaben das feierliche Gehabe der Würdenträger der Lächerlichkeit preis (vgl. S. 360). Und ich staunte, wie sie alles, was es gab und was passierte, politisch einordnen und bewerten konnten, aus einer «gesamtgesellschaftlichen» Analyse heraus. Ich fühlte mich klein mit Hut, kam bei der Durcharbeitung des «Kapitals» nur bis Seite 42 und konnte auch sonst nicht richtig mitreden. Und hatten sie nicht recht in vielem, in allem? Oder doch nicht? Auf der anderen Seite waren sie mir unheimlich und unsympathisch, wenn sie in aufgebrachter Selbstgerechtigkeit die «bürgerlichen» Dozenten vorführten und an den Pranger stellten. Und wenn jemand eine Meinung riskierte, mit der er nicht die richtige Parteilichkeit bekundete, wurde er gnadenlos ausgebuht, ausgepfiffen, mundtot gemacht – besonders auf großen Versammlungen. Aber bewies ich nicht gerade dadurch, dass ich solche Umgangsformen «nicht nett» fand, ein rückständiges bürgerliches Bewusstsein? Hatten sie nicht auch wieder recht, wenn sie argumentierten: «Die Forderung nach einem ‹netten menschlichen Miteinander› ist ein typischer bürgerlicher Zaubertrick (siehe Springer-Presse: ‹Seid nett zueinander!›), mit dem von struktureller Gewalt und staatlich-monopolkapitalistisch organisierter Inhumanität abgelenkt wird und die Frage der Humanität auf die individuelle Ebene verlagert und auf den ‹netten Ton› reduziert wird.» – Nein, der Ton der Revolution konnte wohl nicht «lieb und nett» sein, zumal «die Zeit der Appelle, Petitionen und Resolutionen» vorbei war, wie es hieß, und nun
Weitere Kostenlose Bücher