Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation
allem meine Art, alles von der leichten Seite zu nehmen. […] Diese Seite sitzt meistens auf der Lauer und verdrängt die andere, die viel schöner, reiner und tiefer ist.» Der Clown sei zwar vorübergehend amüsant, aber dann habe man auch genug davon. Dennoch: «Meine leichte, oberflächliche Seite wird der tieferen immer zuvorkommen und darum immer gewinnen. Du kannst Dir nicht vorstellen, wie oft ich schon versucht habe, diese Anne, die nur die Hälfte der ganzen Anne ist, wegzuschieben, umzukrempeln und zu verbergen. Es geht nicht, und ich weiß auch, warum es nicht geht.»
Sie führt dann aus, warum die tiefe und schwere Anne nicht nach vorn darf: Diese sei zu schwach, um mit dem Spott der anderen fertig zu werden. Die «leichte» Anne sei daran gewöhnt und robust genug, es auszuhalten, hingegen: «Wenn ich wirklich einmal mit Gewalt für eine Viertelstunde die gute Anne ins Rampenlicht gestellt habe, zieht sie sich wie ein Blümchen-rühr-mich-nicht-An zurück, sobald sie sprechen soll, läßt Anne Nr. 1 ans Wort und ist, bevor ich es weiß, verschwunden.»
Die «liebe Anne» würde daher nie im Kontakt mit anderen Menschen, sondern nur beim Alleinsein das Wort führen: «Ich fühle alles anders, als ich es ausspreche.» Die freche Anne würde man zwar unsympathisch finden, aber sie (Anne, das Oberhaupt) könne dem «Rat der guten Hälfte» nicht folgen: Selbst die eigene Familie wäre irritiert und würde glauben, sie sei krank, und würde mit Kopfwehpillen und Beruhigungstabletten kommen, wohl auch ihre schlechte Laune kritisieren. «So drehe ich mein Herz wieder um, drehe das Schlechte nach außen, das Gute nach innen und suche dauernd nach einem Mittel, um so zu werden, wie ich gern sein würde und wie ich sein könnte, wenn …, wenn keine anderen Menschen auf der Welt leben würden.»
Kritische Würdigung der Stammspieler/Hauptdarsteller
Unterziehen wir die Rolle der Hauptdarsteller und Stammspieler einer kritischen Würdigung! In der Literatur werden sie auch «Schwergewichte» (H. und S. Stone 1994) und «Manager» (Schwartz 1997) genannt, weil sie sich auf der Bühne so «dick und breit» machen bzw. weil sie innen und außen alles gut unter Kontrolle halten. Sie sind nützlich und wichtig, weil sie den Menschen berechenbar, erfolgreich und «sozialverträglich» machen. Sie sind Überlebenshelfer im Kampf ums soziale Dasein und Garanten eines zivilisierten Umgangs miteinander. Sollten Sie geneigt sein, Mr. Sunnyboy als erbärmliche, falsche Fassade anzusehen, so würden Sie ein wertvolles Mitglied der inneren Gesellschaft verteufeln. Mancher, dem diese leichte und heitere Seite abgeht, möchte sich wohl gern eine Scheibe davon abschneiden. Sie ist ein Geschenk der Natur und eine biographische Entwicklungsleistung zugleich.
Ebenso ist Annes frech-fröhlicher Leichtfuß mit Sicherheit ein Überlebenshelfer ersten Ranges in einer Situation, in der die Tag und Nacht Bedrohten den Kopf oben behalten, all der Angst und Verzweiflung widerstehen müssen, die in ihrer Lage angelegt sind. In der Überlebensgruppe war diese Rolle «ausgeschrieben», und alle waren heimliche Nutznießer dieser gruppendynamischen Leistung, auch wenn sie geschimpft und sich empört haben. Tatsächlich spürt Anne sehr deutlich, mit welch geballter Abwehr die Erwachsenen auf die «innere Anne» reagieren würden, reagieren müssten.
Was in der lebensbedrohlichen Extremsituation so überdeutlich zutage tritt, mag in abgemilderter Form für menschliches Zusammenleben überhaupt gelten: In irgendeiner Weise ist jede Gruppe eine «Überlebensgruppe», die auf Effektivität und Zusammenhalt angewiesen ist und nicht alles jederzeit verkraften kann, was in der menschlichen Seele angelegt ist. Und soweit die Stammspieler Effektivität und Sozialverträglichkeit garantieren, leisten sie gute Arbeit.
Die Gefahr ist allerdings, dass sie des Guten zu viel tun. Manchmal passen sie, bei allen historischen Verdiensten, die sie sich in der Frühzeit des Individuums erworben haben, nicht mehr so recht in die Gegenwart und ihre neuen Umgebungen. Oft nehmen sie zu viel Raum ein und stehen einer Teamentwicklung im Weg. Das kann so weit gehen, dass sie einen Alleinvertretungsanspruch geltend machen und das Oberhaupt verführen, sie mit der Gesamtpersönlichkeit zu verwechseln. Und vielleicht das Wichtigste: Indem sie die verletzlichen, weichen Kernmitglieder derart beschützen, dass diese sich in der «Schutzhaft» nicht mehr rühren
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