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Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation

Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation

Titel: Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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mitbringt, für den ist diese Arbeit zunächst wirklich ein Traumjob. Sie oder er kann sich mit diesen Teilen zur Entfaltung bringen, und das in schönster Umgebung unter der Sonne des Südens ebenso wie unter der Sonne der Beliebtheit und Anerkennung durch die Feriengäste. Meyer spricht von einer «narzisstischen Euphorie», in die der Animateur gerät: «Man ist dort wer, wird von den Gästen hofiert und verehrt, ist so etwas wie ein ‹kleiner Gott›!» (Interviewäußerung, Meyer, S. 169).
    Hinter der Absperrmauer allerdings vollzieht sich das Elend der Antipoden . Dort führen viele Mitglieder des inneren Ensembles ein Leben in stockdunkler Gefangenschaft. Bei der einen Animateurin sind es mehr diese, bei der anderen mehr jene Gestalten, von denen dringlich empfunden wird, dass sie «auch noch da sind» und nicht zu ihrem Recht kommen. Abbildung 59 versteht sich als «Summenbild», das heißt, ich habe die verbannten Antipoden mehrerer Interviewpersonen in ein und dieselbe Brust gezeichnet. Da wären zum Beispiel:
     
Ein Schneckenhäusler , der gern einmal allein wäre, sich zurückziehen und vom Reden und Zuhören befreit sein möchte. Dieser Kontaktmuffel ist in allen Kontaktberufen verstärkt zu erwarten. Da die Rollenvorschrift in diesem Fall aber den Einsatz rund um die Uhr vorsieht, spitzt sich die Unerwünschtheit des Schneckenhäuslers zu: «Ich, die ich immer gut allein sein konnte, musste ständig mit anderen Leuten zu tun haben, ob ich wollte oder nicht. Man war gezwungen, immer mit jemandem zusammen zu sein, und der ganze Tag tobte immer so an einem vorbei, daß man gar nicht die Möglichkeit hatte, sich darüber Gedanken zu machen» (Meyer, S. 113).
Eine einsame Traurige : «Du durftest eigentlich nie zeigen, daß du traurig bist. Die erwarten einfach ein freundliches, fröhliches Gesicht von dir. Da mußt du dich schon sehr zusammennehmen, wenn’s dir nicht gut geht. Du sollst trotzdem dieselbe Ausstrahlung haben, als ob es dir eigentlich gutgeht» (Meyer, S. 113).
Ein Anlehnungsbedürftiger , welcher, nachdem er stunden- und tagelang allem und jedem eine freundliche Stütze gewesen ist, nun selbst einmal jemanden braucht, der ihn auffängt.
Ein stilles Wasser , das unter der Oberflächlichkeit des ständigen Smalltalks leidet und gern mal mit jemandem über Dinge reden möchte, die einen wirklich und zutiefst bewegen. Da aber dem Animateur verboten ist, mit den Gästen über Interna zu sprechen (zum Beispiel über das Thema: «Wie ist mir zumute in diesem Job, mit meinen Kollegen, mit meinem Chef, mit den anderen Gästen?»), ist für das stille Wasser nicht einmal ein kleines Reservat vorgesehen. Ebenfalls wird es nämlich «nicht gern gesehen», wenn die Animateurskollegen lange zusammenhocken. Außerdem herrschen oft Missgunst und Konkurrenz in diesem Kreis (Meyer, S. 162).
Ein Angewiderter , der auf manche Gäste – wie sie reden und sich benehmen – mit Ablehnung und Abscheu reagiert. «Ich habe mich zur Freundlichkeit gezwungen, auch wenn mir die Gäste persönlich nicht sympathisch waren. Man wird ja auch nicht dafür bezahlt, daß du mit einem Miesepetergesicht rumläufst, sondern daß du der strahlende Sonnenschein bist.» Die Angewiderte kommt bei manchen Animateurinnen besonders hoch, wenn Gäste in weinseliger Stimmung schlüpfrige Witze reißen oder sexistische, rassistische oder nationalistische Sprüche klopfen. Dieser Teil muss sich hinter der Diplomatin verstecken («Ich fand es saudoof, hab aber gelächelt») und seine konfrontative Energie – ja, wohin lenken? Sie bleibt im Inneren stecken und führt dazu, dass sich mit der Zeit in der eigenen Brust ein erschöpfter Griesgram und ein Miesepeter breitmachen wollen, ein Duo, das nun im völligen Gegensatz steht zu der erwünschten und im offiziellen Einsatz befindlichen Vordermannschaft.

    Diese gewaltige Spannung zwischen Vorder- und Rückseite ist sehr schwer über längere Zeit auszuhalten. Alkohol und Drogen (Meyer, S. 162), aufhellende und beruhigende Medikamente werden dann zu naheliegenden Mitteln, die kurzfristig und vorübergehend über die Not hinweghelfen, längerfristig aber tiefer in das innere Elend hineinführen und die Gefahr eines Zusammenbruchs noch erhöhen.
    Berufstypisches Schattenkabinett
    Die Rolle des Animateurs soll uns hier nur als prägnantes Beispiel dafür dienen, wie wohl jede Berufsrolle nach einer bestimmten Vorderseite der Persönlichkeit verlangt und ganz bestimmte Mitglieder des

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