Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung; Differentielle Psychologie der Kommunikation (German Edition)
Macht, Hierarchie, Konkurrenz ohne Scheu umzugehen.
Es wäre übertrieben zu sagen, dass kommunikative Stärken und Schwächen der beiden Gruppen genau entgegengesetzt wären, aber tendenziell trifft es zu: War die authentische Begegnung von Mensch zu Mensch eine Domäne der sozialen Gruppe, so hat die kaufmännisch-technische (distanzierend, kontrollierend, sich beweisend und aggressiv-entwertend) hier am meisten zu lernen: Gewohnt, auf der inhaltlichen Ebene argumentativ und lösungsorientiert zu operieren, schwanken sie auf der Beziehungsebene oft zwischen übermäßiger Distanz, Rechthaberei, Hilflosigkeit und Aggression. Auch das nicht gleich überzeugen- und korrigieren-wollende Zuhören, das einfühlende Sich-Einlassen auf die «Welt» des Gegenübers liegt ihnen im Allgemeinen fern, und so sind sie immer in Gefahr, in weitschweifigen «Referaten» aneinander vorbeizureden – mit der Folge, dass dann macht-orientierte Strategien den Umgang miteinander bestimmen, Gewinnen und Verlieren zur vorrangigen Kategorie zwischenmenschlicher Beziehungen wird.
Demgegenüber fällt es ihnen leichter, eindeutige Rollenbeziehungen herzustellen und sich in hierarchischen Kontexten zu bewegen; klare Anweisungen sind von ihnen eher zu erwarten als von der sozialen Gruppe, die manchmal dazu neigt, ihr Ideal von «Miteinander» überzustrapazieren. Und was die «Hardliner» an menschlicher Aussprache und sorgsamer Beziehungsklärung zu wenig pflegen, das kultivieren soziale Teams zum Teil im Übermaß, wenn sie wieder und wieder «an ihren Beziehungen arbeiten» und darüber ihre sachlichen Aufgaben aus dem Auge zu verlieren drohen. – So komme ich als Kommunikationslehrer oft in die merkwürdige Situation, dass ich die einen vor etwas warne, was ich den anderen dringend ans Herz lege. Aber diese Merkwürdigkeit liegt natürlich in der Logik der sich überkreuzenden Entwicklungsrichtungen. – Ob nun Männer und Frauen – oder Angehörige verschiedener Berufskulturen: Wichtig scheint mir, dass die Vertreter unterschiedlicher Stilwelten, wenn sie miteinander zu schaffen haben (und einander dann zu schaffen machen), von diesen Unterschieden wissen und dadurch einen Teil ihres wechselseitigen Befremdens abbauen können. Nicht immer steht ein Dolmetscher zur Seite, aber wer ein bisschen «Fremdsprache» gelernt hat, kann manches übersetzen und sich einiges Wertvolles von der fremden Sprache zu eigen machen.
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Literatur
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Esch, A. M.: «Authentisch» kommunizieren oder human? In: Congress & Seminar 10/1983, S.46–48
Falt, B.: Vom Helfen-Wollen zum Helfen-Müssen. Unveröffentl. Vortragsmitschrift, Hamburg
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