Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung; Differentielle Psychologie der Kommunikation (German Edition)
seine Äußerungen als Stichwortlieferanten für eigene Mitteilungen aufzufassen. Da das «aktive» Zuhören dem Muster entsprechend als Schnattertechnik missbraucht werden kann, möchte man gelegentlich eher ein innerlich aktives Zuhören empfehlen, das darin besteht, das Gesagte wirklich an sich herankommen zu lassen, ohne gleich äußerlich darauf zu reagieren. «Mal nur zuhören!», rate ich dem Mitteilungsfreudigen in Trainingskursen, wenn er von anderen Feedback erhält; und später: «Bevor Sie antworten : Wie reagieren Sie innerlich darauf?»
Ziel dieser Anleitung ist eine tiefere Kontaktebene, die zuzulassen ihm schwerfallen mag. Denn gewohnheitsmäßig neigt er dazu, mit schneller Zunge die Oberflächlichkeit sicherzustellen, die den Kontakt zwar ungefährlich macht, aber auch verarmen lässt. Dies genau ist ja die Crux vieler Familien und Arbeitsteams: dass die Kommunikation immer von jenen bestimmt wird, die mit dem schnellen Schnabel vorneweg sind. Inhalte und Anliegen, die mehr aus der Tiefe kommen, sind dagegen eher ungeschlüpften Entlein vergleichbar: Sie können am Geschnatter noch gar nicht teilnehmen, sondern wollen erst noch ausgebrütet werden – und trauen sich erst dann aus der schützenden Schale heraus, wenn geduldig und mit viel Wärme auf sie gewartet wurde – und wenn sie sicher sein können, dass nicht nur strahlende Schwäne, sondern auch hässliche junge Entlein willkommen sind.
Es muss nicht immer ein Therapeut, Klärungshelfer oder Moderator sein, der vorübergehend «das Tempo aus dem Spiel nimmt» und Zeit zum Ausbrüten gibt. So manches Team hat es sich zur Gewohnheit gemacht, längere Sitzungen und Besprechungen mit einer «Runde» zu beginnen, in der nacheinander jeder ausspricht, wie ihm zumute ist, womit er sich innerlich herumschlägt, was ihn vom letzten Mal noch verfolgt usw. – das Innehalten ist hier institutionalisiert, ermöglicht innere Sammlung und Kontaktaufnahme, mit nachfolgend deutlich erhöhter Arbeitsfähigkeit.
Mit derlei Empfehlungen ist nicht einer fortwährend tiefschürfenden, von der Bedeutungsschwere zentraler Anliegen triefenden Kommunikation das Wort geredet: Auch die unbefangene Leichtigkeit einer von puppenlustigen Plappermäulern inszenierten Unterhaltung ist von Wert und Würze – alles zu seiner Zeit, in Ab-Stimmung miteinander und mit dem Kerngehalt der Situation.
So bleibt zu hoffen, genau wie bei allen zuvor besprochenen Stilen, dass Menschen mit bevorzugt mitteilungsfreudig-dramatisierender Kontaktgestaltung auf dem Wege der Entwicklung zwar ihre inneren Möglichkeiten erweitern, aber das angestammte Talent dabei nicht einbüßen.
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Ausblick
Wenn Sie in der Lektüre dieses Buches bis hierhin gelangt sind, dann kennen Sie sich recht gut aus in den Varianten menschlichen Kontaktverhaltens, wissen Bescheid um die Chancen und Gefahren der einzelnen Stile und ihrer typischen zwischenmenschlichen Verwicklungen. Wird dieses Wissen Ihnen helfen, mit den zwischenmenschlichen Unterschieden besser fertig zu werden? Oder was lässt sich sonst damit anfangen?
Typologien laden im Allgemeinen dazu ein, (zögernd, vorsichtig) sich selbst und (mit emsigem Vergnügen) die anderen in das System einzuordnen. Was ist davon zu halten? Wahrscheinlich sind Ihnen beim Lesen hin und wieder Personen Ihres Bekannten- und Verwandtenkreises unversehens vor Augen gekommen: «Genau wie meine Kollegin! – Mein Onkel, wie er leibt und lebt!» – Solche Assoziationen sind durchaus erwünscht, erleichtern sie doch die für die Aneignung neuer Inhalte so wichtige Verbindung zwischen dem «Stoff» und der eigenen Lebens- und Erfahrungswelt. Mindestens ebenso wertvoll sind Verbindungslinien, die Sie zu sich selbst knüpfen. Bei alldem darf aber nicht vergessen werden: Es handelt sich hier um eine Typologie menschlicher Kommunikationsweisen, nicht menschlicher Charaktere! Alles steckt in jedem, und ein konkreter Mensch wird sich einer Vielzahl der beschriebenen Muster bedienen – je nach Situation und innerer Verfassung. Möglich, dass die Kollegin oder der Onkel einen Stil in auffälliger «Reinkultur» verkörpern – in der Regel sind es eher bestimmte Kombinationen und Mischungen von Stilen, die für einen bestimmten Menschen in bestimmten Situationen (oder Beziehungskonstellationen) typisch sind.
Als ich vor einigen Jahren in einer Gruppe von Führungskräften zum ersten Mal die acht Stile vorgestellt hatte, schlug ein Teilnehmer mit
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