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Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung; Differentielle Psychologie der Kommunikation (German Edition)

Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung; Differentielle Psychologie der Kommunikation (German Edition)

Titel: Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung; Differentielle Psychologie der Kommunikation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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für mich allein!
B: Und wenn du jemanden mit aufnimmst?
A: Meinst du, das ginge? – Wen denn?
B: Tja, äh, das weiß ich natürlich auch nicht auf die Schnelle.
A: Mensch, was soll ich denn bloß machen?? (seufzt) – Also gerade, wenn man denkt, man kommt mal zur Ruhe – ich weiß kaum noch, wo mir der Kopf steht.
B: Also pass auf! Erstens: Du musst eine Anzeige aufgeben, vielleicht auch mal bei der Zimmervermittlung anrufen. Zweitens: Von heut auf morgen kann man niemanden raussetzen. Du musst mit Heiner reden, dass er dir ’ne angemessene Frist setzt. Und drittens –
A: Sag mal, könntest du nicht mal mit Heiner reden?
B: (stutzt) Also, das wär vielleicht besser, wenn du direkt …
A: Nee du, also in letzter Zeit war das etwas schwierig, ich komm da nicht so gut an ihn ran. Und ich bin dann auch so erregt, dass ich die Worte nicht finde …
B: Aber ich …
A: Doch, du hast da wirklich ’ne gute Art – und er kennt dich doch auch, der weiß doch: Was du sagst, hat Hand und Fuß!
B: Also gut, aber heute nicht mehr, ich muss gleich noch weg. Und egal, wie das Gespräch ausgeht, ’ne Anzeige würde ich in jedem Fall aufsetzen.
A: Ja, sag nochmal schnell: Wie macht man so was am besten?
B: Also einfach, was du willst, auf zwei, drei Zeilen, zum Beispiel «Junger Mann sucht …»
A: Ja, wart mal schnell, ich hol was zu schreiben – so, kannst du nochmal diktieren?
B: Also, den Text musst du nun schon selber machen – ist doch nicht so schwer!?
A: Ach, Mensch, ich glaub, du weißt gar nicht, wie mir im Moment zumute ist! Sag mal, könntest du nicht heute Abend kurz vorbeikommen, dass wir die Sache mal in Ruhe durchgehen?
B: Also heut abend ist schlecht.
A: (schweigt)
B: Höchstens morgen.
A: (schweigt)
B: Hörst du?
A: (mit tonloser, ersterbender Stimme) Ja, ja.
B: Also gut, heut abend, aber nicht vor halb elf, und nur kurz. Wir werden schon alles hinkriegen!
A: (hoffnungsvoll) Ja, meinst du?
    Versuchen wir einmal, die bei wechselnden Inhalten und Anlässen wiederkehrende Grundbotschaft zu formulieren, die der Bedürftig-Abhängige vielleicht nicht direkt ausspricht, aber doch «ausstrahlt», das heißt durch Tonfall, Mimik, Gestik und die Art seiner Formulierungen «subkutan» (aber deswegen nicht weniger massiv) aussendet. Legen wir dabei das Modell der quadratischen Nachricht (Kap. II.1) zugrunde, dann empfangen wir:

    1. die Selbstkundgabe der Hilfsbedürftigkeit : Allein schaff ich es nicht, ich bin dem nicht mehr gewachsen! Ich kann das nicht, wie sollte ich auch mit meinen schwachen Kräften!

    2. die (verführerische) Beziehungsbotschaft «Du bist stark und kompetent!» , durch die sich der Empfänger oft sehr angesprochen fühlt. Denn im Kontakt mit dem Hilfsbedürftigen darf er eine Seite an sich spüren, die ihn aufwertet und die sich gut anfühlt: fähig zu sein und gebraucht zu werden.
    Diese Beziehungsbotschaft wird im obigen Beispiel manchmal direkt ausgesprochen («Du hast da wirklich ’ne gute Art … was du sagst, hat Hand und Fuß!»), überwiegend aber durch die ganze Art der Gesprächsführung signalisiert.

    3. Direkte und verdeckte Appelle , alle von der Art «Hilf mir, du musst für mich sorgen, hörst du? Lass mich bloß nicht im Stich!» – im obigen Beispiel zunächst direkt («Könntest du nicht heut abend kurz vorbeikommen …?»), später dann «stumm», als der direkte Appell nicht gleich die erwünschte Wirkung zeigt – der unausgesprochene Vorwurf «Ja, ja, in der Not hat man dann keine Freunde!» lastet drückend in der Hörmuschel und zeitigt prompt seine Appellwirkung.

    Abb. 10:
    Grundbotschaft des bedürftig-abhängigen Stils
    Angesichts der Hilf- und Kraftlosigkeit, die der Bedürftig-Abhängige demonstriert, mag es überraschen, wie kraft- und machtvoll er auf seine Mitmenschen emotionalen Einfluss ausübt. Man kann sich ihm nicht leicht entziehen! Um nicht als herzlos und egoistisch dazustehen, fühlt man sich verpflichtet, mit Rat und Tat einzugreifen – und «irgendwie» sieht man sich bald in die Probleme verstrickt, wie von Zauberhand plötzlich die Verantwortung dafür auf sich lasten, ob alles gutgeht. Wer nach dem Köder der Beziehungsbotschaft «Du bist stark und fähig!» geschnappt hat, hängt auch an ihrem Angelhaken: «Und du bist zuständig!»
    Wenn wir also auch die «Power» des sich schwach und hilflos Gebenden nicht unterschätzen sollten, so wäre es doch verfehlt, ihm magische Kräfte zuzuschreiben. Hat vielleicht auch der Kontaktpartner ein

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