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Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung; Differentielle Psychologie der Kommunikation (German Edition)

Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung; Differentielle Psychologie der Kommunikation (German Edition)

Titel: Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung; Differentielle Psychologie der Kommunikation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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wahrscheinlich Todesangst) verknüpften Gefühle von Bedürftigkeit und Schwäche nicht mehr in sich aufkommen zu lassen (nie wieder!). Wie kann das geschehen, wie kann man hier seelisch auf Nummer sicher gehen? Indem man in den Kontakt mit anderen Menschen nur jene Aspekte des eigenen Selbst einbringt, die den gefährlichen Anteilen entgegengesetzt sind: Die starken und souveränen Teile, die sich mit all den Vorstellungen verbinden, wie ein edler Mensch sein sollte, nämlich hilfreich und gut. Diese Verhaltensweisen waren wahrscheinlich schon in der Kindheit geeignet, Liebe und Bestätigung zu erlangen. Nach Außenthal (1984) scheint dies in besonderem Maße für die älteste Tochter typisch zu sein: Als «Hilfserzieherinnen» für die jüngeren Geschwister sind sie besonders mit den elterlichen Werten identifiziert (Vorbild sein!); so geben sie sich sehr früh schon stark, vernünftig, tüchtig, selbständig und verantwortungsbewusst :
«Auf jeden Fall bin ich immer die Verantwortliche gewesen oder die Vernünftige, und das ist das, was immer noch ganz schön Auswirkungen auf mein jetziges Leben hat.» [11]
    Dafür gibt es liebende Anerkennung, hingegen ist die kindlich-bedürftige Seite nicht gefragt – und wird entsprechend aus dem eigenen Selbsterleben ausgeblendet:
«Das Komische ist, daß ich immer selbständig war, also von Anfang an. Ich denke manchmal, ich war als Kind schon eine kleine Erwachsene und habe mich auch selber eigentlich so ganz wohl gefühlt in der Rolle – und auch immer wieder reinmanövriert, und daß es mir jetzt erst aufgeht: ich hätte gern jemanden gehabt, der sich um mich kümmert!»
    Das Umsorgen wird für die «kleine Erwachsene» zum Haupt-Kontaktmuster («Irgendwie war das so meine Rolle – immer so ’n bisschen sorgen und kümmern und zuständig sein …»), und auch die große Erwachsene kann später davon nicht mehr lassen:
«Ich hab mir oft gewünscht, daß mal jemand da ist, der sagt, was ich tun soll. Nur – als ich dann älter wurde, da paßte mir das natürlich auch nicht mehr …»
    Denn das hieße ja auch, etwas von der Überlegenheit aufzugeben, die mit der Rolle verbunden ist:
«Er war immer so mein kleiner Bruder, auf den ich runtergeguckt habe.»
    Die schwierige seelische Leistung, welche die älteste Tochter zu erbringen hat, kommt in dem Satz zum Ausdruck: «Du mußt lieb sein zu diesem kleinen Rivalen, der dir das wegnimmt, was du am meisten brauchst!» (de Haen, 1983, zit. nach Außenthal, 1986)
«Wenn wir uns stritten: Ich kriegte immer eins auf den Deckel, wenn ich meine Schwestern schlug. Das war völlig klar – als Älteste. Ich bin ja ‹die Verantwortliche›.»
    So bedarf es der Herausbildung eines starken Über-Ichs («Edel sei der Mensch, hilfreich und gut!»), um «die andere Seite» innerlich nicht aufkommen zu lassen: Bedürftigkeit, Eifersucht, Aggression. Teilweise gelingt dies nicht: Viele ältere Schwestern haben nach eigenen Angaben ihre jüngeren Geschwister wiederholt «gequält», «tyrannisiert» und «fertiggemacht».

    Wir können nach diesem Rückblick die Seelenlage der helfenden Strömung genauer fassen. Die starke kontaktzugewandte Außenseite leistet Folgendes: Sie hält das eigene hungrige Baby «sicherheitshalber» unter Verschluss, lässt aber anderen Menschen stellvertretend jene Fürsorglichkeit angedeihen, die man selbst nicht ausreichend erhalten hat. Gleichzeitig erheischt das edle Selbstbild die Anerkennung, die einem seit eh und je zuteil wurde. Indem wir die Abb. 12 um diese Aspekte ergänzen, gelangen wir zu folgendem Bild:

    Abb. 14:
    Grundpose des helfenden Stils, mit «Ergänzungen»
    Die folgenden zwei Selbstzeugnisse mögen das bisher Gesagte illustrieren und ergänzen. Eine selbsterfahrene Studentin schreibt:
«Aufgrund einer ziemlich ernsten Viruserkrankung mußte ich drei Wochen lang in einer Klinik behandelt werden. Der dortige Kontakt mit dem Pflegepersonal, besonders mit einer Nachtschwester, brachte mich auf die Idee, eine Krankenpflegeausbildung zu machen. Ich brach also mein Studium ein Semester vor dem Diplom ab. Obwohl meine Eltern von meinen Ambitionen nicht gerade begeistert waren, konnten sie doch gegenüber solch edlen Motiven wie Nächstenliebe und ‹endlich mal Geld durch eigener Hände Arbeit verdienen wollen› nichts einwenden.
Jahrelang darin geübt, das zu bieten, was die Leute jeweils von mir hören wollten, um mein Ziel zu erreichen, bekam ich in einer Zeit der höchsten

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