Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung; Differentielle Psychologie der Kommunikation (German Edition)
durchsetzen, dass ihr ein Computer zur Verfügung gestellt wird. In einem früheren Gespräch hatte er sich ablehnend geäußert. Bei einem erneuten Versuch beginnt sie das Gespräch: «Könnten wir vielleicht noch einmal über diesen dummen Computer sprechen?»
In einem Kursus zur Selbstbehauptung kann an dieser Stelle in zweifacher Weise gearbeitet werden. Zum einen auf der Verhaltensebene : «Wenn Sie das Gespräch noch einmal beginnen, dann probieren Sie bitte drei kleine Änderungen:
1. statt ‹Könnten wir vielleicht …›: ‹Ich würde gerne mit Ihnen …›;
2. den ‹dummen› : weglassen;
3. statt der übergeschlagenen, angepressten Beine: Bodenkontakt mit beiden Füßen, aufrechter Sitz, direkter Blickkontakt!»
Nachdem sie im Rollenspiel in dieser Art gesprochen hat, unterbreche ich und frage: «Wie fühlt sich das an, so zu sprechen?» – «Gut! Aber auch: Es steht mir nicht ganz zu!» – «Wer meldet sich denn da in Ihnen und sagt ‹Es steht dir nicht zu, so zu sprechen!›?» – «Das kleine brave Mädchen in mir!»
An dieser Stelle ist nun jener Teil der Persönlichkeit hervorgekommen, der mit alter Routine die selbst-losen Anteile in die Gesprächsführung hineinmengt. So besteht jetzt die Gelegenheit, diesen Teil (das kleine brave Mädchen von damals) einmal genau kennenzulernen – das heißt, auf der Ebene der Selbsterfahrung zu arbeiten. Dies geschieht am besten durch die Aufforderung, sich mit diesem Teil einmal zu identifizieren und zu hören und zu fühlen, was er zu sagen hat, zum Beispiel: «Ich bin das brave Mädchen und möchte, dass mich alle gern haben. Und das erreiche ich dadurch, dass ich lieb und bescheiden bin – usw.»
Das erste wichtige Wort, das selbst-lose Menschen lernen müssen, lautete Ich . Das Zweite lautet Nein ! Nichts ist ihnen so unangenehm, als anderen etwas abzuschlagen. Wiederum die Frage: Kann man/frau es lernen, Nein zu sagen? Gewiss, aber nicht, ohne einen tiefgreifenden Wandel durchzumachen. Denn jedes Nein enthält das Risiko, dass der andere böse wird, und erinnert an die bedrohliche Tatsache, anders zu sein als andere – anders zu denken, zu fühlen, zu wollen, zu wünschen. Diese Bewusstheit setzt die Geborgenheit aufs Spiel, die durch Einigkeit erreichbar schien. Fritz Perls, der Begründer der Gestalttherapie, hat in seinem berühmten «Gestaltgebet» wohl vor allem die Selbst-losen seiner Klienten im Auge gehabt:
«Ich bin ich und du bist du.
Ich bin nicht auf der Welt, um so zu sein,
wie du mich haben willst – und du bist nicht auf der Welt,
um so zu sein, wie ich dich haben will …»
Dies ist eine schmerzvolle und befreiende Lektion zugleich und erfordert eine Auseinandersetzung mit den eigenen Ängsten. Gleichwohl mögen auch Verhaltensrezepte nützlich sein, die in der kommunikationspsychologischen Literatur angeboten werden, um für das Nein-Sagen-Lernen ein geeignetes Repertoire aufzubauen. So empfiehlt der Amerikaner Garner (1981) eine «leicht zu erlernende Technik», wie man jemandem widerstehen kann, der von einem etwas will, was man nicht erfüllen möchte» (S.201ff.). Angenommen ein guter Bekannter bittet Sie dringend, eine Unterschriftensammlung für ihn durchzuführen, da er selbst verhindert sei. Sie wollen aber nicht. Er führt starke Argumente ins Feld: Es sei sehr wichtig und für einen guten Zweck, und Sie würden ihm persönlich aus einer großen Schwierigkeit heraushelfen. – Die empfohlene Technik besteht nun aus folgenden Schritten:
1. Stimmen Sie ihm zu in dem, was Sie für zutreffend halten (zum Beispiel «Ich glaube wirklich, dass das eine wichtige Sache für dich ist, und ich halte den Zweck auch für gut!» …)!
2. Sagen Sie klipp und klar, dass Sie nicht wollen, eventuell unter Angabe Ihrer Gründe («Aber ich möchte dich da nicht vertreten – es wird mir zu viel!»)!
Wenn der andere nun weiter drängt und mit Engelszungen auf Sie einredet (zum Beispiel «Ich versteh das nicht so ganz – die Sache, um die es geht, kann doch auch für dich mal wichtig werden!»), dann
3. Fahren Sie fort, dem anderen in dem zuzustimmen, was Sie für richtig halten – und wiederholen Sie dann Ihre Absage immer mit den selben Worten, wie eine «Platte mit Sprung» («Kann sie auch! Aber ich möchte dich nicht vertreten – es wird mir zu viel!»)!
Vielleicht haben Sie (wie ich) ein ungutes Gefühl bei derartigen mechanischen Verhaltensempfehlungen – werden hier doch alle Besonderheiten der Situation, der
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