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Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung; Differentielle Psychologie der Kommunikation (German Edition)

Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung; Differentielle Psychologie der Kommunikation (German Edition)

Titel: Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung; Differentielle Psychologie der Kommunikation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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beschuldigend (s. Abb. 24 a) und/oder herabsetzend (Abb. 24 b):

    Abb. 24 a:
    Grundpose des aggressiv-entwertenden Stils (beschuldigend)

    Abb. 24 b:
    Grundpose des aggressiv-entwertenden Stils (herabsetzend)
    Die kommunikative Grundausstrahlung enthält die Selbstdarstellung der Stärke und Unverletzlichkeit («Mir kann keiner!»), eine grundsätzlich herabsetzende Beziehungsbotschaft und den Appell, «klein beizugeben»:

    Abb. 25:
    Grundbotschaft des aggressiv-entwertenden Stils
    Das misstrauische Beziehungs-Ohr, das der Feind-selige mit dem Selbst-losen gemein hat, wittert allzeit den Widersacher. Dieser ist potenziell in jedem Mitmenschen zu vermuten, manchmal aber auch in bestimmten Gruppen (Ausländern, Juden, Kommunisten), zu denen hin die feindselige Strömung durch politische Propaganda kanalisiert werden kann. Bisweilen richtet sich das misstrauische Beziehungs-Ohr gegen bestimmte Personen, die Ähnlichkeit mit alten Wundenschlägern aus der eigenen Lebensgeschichte aufweisen. Ein Student schreibt:
«Ich kenne das von mir bei Leuten, die meinen Eltern ähnlich sind und von denen ich annehme, dass sie mich so wie ich bin ohnehin nicht akzeptieren. Ich begegne ihnen von vornherein in aggressiver Lauerstellung, um ihnen zu signalisieren, dass es ihnen nicht möglich ist, mich zu verletzen, weil ich sie ja ohnehin nicht leiden könne. Diese Fantasien auf Realität zu überprüfen, gelingt mir dadurch natürlich nicht, weil ich das erwartete Verhalten selbst provoziere.»
    Was von außen so aggressiv und bösartig, so verächtlich und überkritisch aussieht, das hat eine überaus verletzliche und verzweifelte Innenseite; «harte Schale – weicher Kern», heißt es im Volksmund durchaus zutreffend. Das kleine Kind hat schwere Herabsetzungen, Demütigungen und wahrscheinlich Schläge erlitten. Es fehlte die Grunderfahrung von positiver und gleichberechtigter Koexistenz («ich und du – und beide in Ordnung!») – auch in Anschauung des elterlichen Kontaktes. Stattdessen lautete die Lebensgleichung «ich oder du!» – All diese Erfahrungen verdichten sich zu dem seelischen Axiom
Ich bin nicht in Ordnung, mache erbärmlich alles falsch. Wehe, jemand merkt es! Dann werde ich untergebuttert und gnadenlos verachtet!
    Das Minderwertigkeitsgefühl verbindet sich hier vor allem mit der Angst, «runtergemacht» zu werden, in die unterlegene Position zu geraten oder ausgegrenzt zu werden. Während der selbst-lose Mensch bei ähnlicher Urerfahrung sich duckt und aus der Not versucht eine Tugend zu machen, will der feind-selige Mensch «vorbeugend mit gleicher Münze heimzahlen» und macht das «Obensein» zur Überlebensfrage. Die von Alfred Adler beschriebene und so genannte «Entwertungstendenz» ergibt sich aus dem Versuch, die eigene Selbstaufwertung durch das Herabdrücken der anderen zu betreiben – mit einer zweifachen Zielsetzung nach außen und nach innen: Nach außen die Einschüchterung und Unterwerfung des Gegenübers als vorbeugende Maßnahme, um sich von ihm nicht bedroht fühlen zu müssen; nach innen die Vermeidung jener Gefühle von Unterlegenheit, Wehrlosigkeit, Weichheit und «erbärmlicher» Schwäche, mit denen man so schmerzvolle Erinnerungen verknüpft und die man nie, nie, nie! wieder spüren will. Zu Hilfe kommt dabei der Mechanismus der Projektion , durch den es möglich wird, die abgelehnten Teile von sich selbst überdeutlich dort wahrzunehmen und zu bekämpfen, wo es selbstwert-schonend möglich ist: beim Gegenüber.
    Nach brutalen Gewalttaten ist es für die Öffentlichkeit besonders erschreckend zu erfahren, dass in dem Augenblick, in welchem das Opfer bereits gedemütigt und geschlagen am Boden lag und nur noch kläglich wimmerte und flehte, beim Täter oftmals keineswegs ein Rest von Mitleid wachgerufen wurde, wie das im Tierreich angesichts der Demutsgebärde des unterlegenen Rivalen geschieht, sondern dass im Gegenteil diese «wimmernde Kläglichkeit» den Täter nur noch zusätzlich reizte, dem Opfer den Rest zu geben. Offenbar wird er in dieser Sekunde unbewusst an seine eigene Kläglichkeit erinnert, die er so sehr verachtet und der er auch den Rest geben möchte.

    Oberhandtechniken. Von der feindseligen Strömung bis hin zur brutalen Gewalttat ist es noch ein langer Weg mit vielen Hemmschwellen dazwischen, wenn auch die verächtliche Haltung dem Mitmenschen gegenüber und das Gefühl, sich an ihnen für all die selbst erlittenen Misshandlungen rächen zu müssen, in vielen

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