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Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung; Differentielle Psychologie der Kommunikation (German Edition)

Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung; Differentielle Psychologie der Kommunikation (German Edition)

Titel: Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung; Differentielle Psychologie der Kommunikation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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genommen, und sitze dann häufig mit dem Gefühl da …» usw.) müssten die Vorzeichen sehr günstig stehen. Die Gefahr besteht, dass solche Sätze auf den alten Boden fallen: Frau = Gefühl = empfindlich = unsachlich.

    Aber es ist überhaupt schwer, allgemeine Empfehlungen zu geben. Ich wage das hier nur, um eine mögliche Richtung anzudeuten. In jedem Einzelfall kommt es darauf an, Strategien zu entwickeln, die der Frau gemäß sind und die den Besonderheiten der Situation entsprechen.

    Erziehung. Auch in anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens ist die zwischenmenschliche Kommunikation vom aggressiv-entwertenden Stil in starkem Maße mitgeprägt, vor allem in der Erziehung und der Politik. Die empirischen Untersuchungen von Reinhard und Annemarie Tausch (1977) in Elternhäusern und Schulzimmern haben in bedrückendem Ausmaß zutage gefördert, dass auch heute noch Zigtausende von Kindern für nahezu alles, was sie von sich geben, gemaßregelt, ironisch kommentiert, gedemütigt und verächtlich gemacht werden.
    Inzwischen wissen wir aus tiefenpsychologischen Studien, dass die gute pädagogische Absicht, aus dem Kind «einen anständigen Menschen» formen zu wollen, nur eine leicht durchschaubare Verbrämung ist. Eine Verbrämung jener feindseligen Energie nämlich, von der der Erwachsene durchdrungen ist und die sich bevorzugt gegen Kinder wendet, weil diese erstens wehrlos sind und zweitens in anfänglicher Unbefangenheit all jene Gefühle und Verhaltensweisen zeigen, die der Erwachsene in sich selbst zu unterdrücken gelernt hat und nun im Kind verteufelt und bekämpft (s. A. Miller, 1980). Ein moralisierendes Vorgehen («Man sollte seine Kinder achtungsvoll behandeln, ihre Würde nicht durch Wort und Tat verletzen!») hilft hier nicht weiter, macht den Eltern und Lehrern noch ein schlechtes Gewissen – und das entstehende Gemisch von Feindseligkeit und Schuldgefühlen ergibt für die Kinder erst recht keine Wohltat. Eher scheint es aussichtsreich, die Not der Eltern in den Blick zu bekommen, die der Not der Kinder nicht nachsteht. Die wohlwollende Aufarbeitung der zugrunde liegenden Selbstentwertung ist dringlicher als die Anprangerung des daraus entstehenden Verhaltens – jedenfalls aus therapeutischer Perspektive, welche einzunehmen natürlich oft nicht möglich ist. Wer in einer Familientherapie vernimmt, dass der Vater seinen zweijährigen Sohn aus nichtigem Anlass im Wald wie zur Exekution hinter die Büsche geführt hat, um ihn dort mit einem Knüppel nach Strich und Faden zu versohlen – und wer ihn darüber witzeln und lachen hört, der glaubt schaudernd den leibhaftigen Unmenschen vor sich zu haben; und wer dann erlebt, wie derselbe Vater sich in seiner eigenen Familie kläglich einsam und abseits stehen sieht, wie er sich ausgeschlossen fühlt von dem nahen Herzenskontakt, der zwischen Frau und Kindern zu bestehen scheint, und wie er zu Weihnachten eine aufkommende Atmosphäre von liebevollem Miteinander regelmäßig «rechtzeitig» zerstört, um sich dem nicht auszuliefern – der sieht plötzlich den verletzten Menschen hinter dem Unhold, schwankt in der Identifikation mit dem Opfer und dem Täter ratlos hin und her – und erkennt, wie moralische Vorhaltungen am Kern der Sache vorbeigehen.

    Politischer Dialog. Dies scheint auch für die politische Kommunikation zuzutreffen. Der politische «Dialog» scheint hierzulande ruiniert, jedenfalls sein öffentlich erkennbarer Teil. Ebenso regelmäßig, wie nach verbalem Schlachtengetümmel der moralische Katzenjammer den Appell zur gegenseitigen Fairness laut werden lässt, ebenso rasch kultiviert sich auf der politischen Bühne wieder jener Brustton, der den politischen Gegner als lächerlich, hirnarm, teuflisch, charakterlich anstößig oder krankhaft hinstellt, als einen Irrläufer der Weltgeschichte, vor dem nur die eigene Integrität und Vernunft einen wirkungsvollen Schutz darstellen. – Gegenbeispiele, die darin bestehen, dass die Position des anderen mit liebevoller Gründlichkeit studiert und auf ihre rechtmäßigen Bestandteile untersucht wird, um dann jene Punkte deutlich, aber mit der Nachdenklichkeit dessen zu markieren, der die Möglichkeit auch des eigenen Irrtums unterstellt – solche Gegenbeispiele gibt es, aber sie bleiben seltene Ausnahme. Eine solche Art politischer Auseinandersetzung hätte zwar weniger Aussicht, die eigenen Schlachtenbummler in ihrem politischen Kampfgeist anzufeuern, dafür umso mehr die Chance,
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