Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung; Differentielle Psychologie der Kommunikation (German Edition)
Persönlichkeitsmarkenzeichen = adäquat
Du-Botschaft = Fassade = rückständige Persönlichkeit = inadäquat
ab, jedenfalls in dieser pauschalen Form. Es sind vor allem aggressive Inhalte, die sich in der Form der Du-Botschaft deutlicher und klarer vermitteln lassen. Das kommt in vielen Erfahrungsbericht zum Ausdruck, zum Beispiel:
«Manchmal frage ich mich, ob ich nicht zum Beispiel bei einem Streit die konfliktauslösenden Anteile zu stark bei mir suche. Manchmal lasse ich meine spontanen Reaktionen wie zum Beispiel Wut gar nicht zu und fange an zu psychologisieren.»
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es mir mitunter besser geht, wenn ich klare Du-Botschaften bekomme als noch so perfekte Ich-Botschaften. Ein Beispiel: Es ist ein schwacher Punkt bei mir, bei Verabredungen manchmal auf den letzten Drücker oder gar zu spät zu kommen.
– Eine Bekannte von mir lässt dann ihrem Ärger freien Lauf, meist auch in kräftigen Du-Botschaften, grad so wie’s kommt – und mir geht es trotzdem ganz gut dabei. Ihr Ärger ist raus, ich kann ganz gut verstehen, dass sie sauer ist, und zwischen uns steht nichts mehr.
– Bei einer anderen Bekannten, einer psychologisch gut vorgebildeten Lehrerin, kommen astreine Ich-Botschaften, und mir geht es schlecht damit. Sie erzählt, wie es ihr geht mit meinem Zuspätkommen, was das mit ihr macht, dass das sicherlich auch ein Schattenaspekt von ihr ist usw. Es kommt da alles Mögliche raus, nur nicht ihr Ärger. Und ich habe den Eindruck, ein ganz böser Mensch zu sein, der ihr das angetan hat. Der Ärger, der sich dann bei mir einstellt, ist ein Indiz, wie es bei ihr wohl wirklich aussieht.
Die Du-Botschaft ist bei Ärger greifbarer, direkter, und der Partner hat besser die Möglichkeit, darauf zu reagieren. Bei der Ich-Botschaft ist der Ärger verschleiert, es werden eher subtil Schuldgefühle gemacht, und der Partner kann sich schlecht wehren.
Vielleicht ist es kein Zufall, dass vor allem Frauen ihre Vorbehalte gegen die «aggressionsmildernde Orientierung am eigenen Anteil» anmelden. Eine Kursteilnehmerin:
«Die Humanistische Psychologie will das Innen-Ohr der Menschen verstärken. Wie steht es da eigentlich mit den Frauen? Die doch sowieso sehr viel die Schuld bei sich suchen. Und viel zu wenig ihre (männliche) Umwelt in die Ursachenforschung miteinbeziehen. Sehr oft haben sie allerdings auch kein gutes Innen-Ohr, finden schlecht heraus, was sie eigentlich fühlen, wollen … Vielen Frauen müsste man das Innen-Ohr beibringen, aber ganz stark auch den Du-Stuhl [17] .»
Eine Studentin bringt es auf eine prägnante Formel:
«Das brave Mädchen in mir hat Fragen wie ‹Was hat das mit mir zu tun?› dazu benutzt, nicht wütend werden zu müssen.»
Und damit nämlich das Risiko von Zerwürfnissen, Disharmonie, Allein-Dastehen einzugehen.
Die Psychologen sind sich in dieser Frage nicht ganz einig. Während auf der einen Seite Bach und Wyden («Streiten verbindet!», 1969) zornigen Attacken eine fundamentale Bedeutung für seelische Gesundheit und reife Intimität zumessen, sehen andere (zum Beispiel Tausch und Tausch, 1983; Gordon, 1972) in den aggressiven Impulsen gegen andere Menschen ein Zeichen dafür, dass der Wüterich mit sich selbst noch nicht im Reinen ist. Aus dieser Auffassung ergibt sich dann die im letzten Zitat erwähnte Empfehlung, aufkommende Aggressionen als Signal für eine Selbsterkundung zu nehmen: «Was ist es in mir , dass ich den anderen im Moment so schlecht ertragen kann?» – oder anders ausgedrückt: «Wenn dich am anderen etwas aufregt, dann schau (horch in dich hinein), was es mit dir selbst zu tun hat!» Gordon ist in seiner «Familienkonferenz» (1972) der Auffassung, dass jede zornige Du-Botschaft eine «abgeleitete Empfindung» sei, hinter der eine unausgedrückte primäre Empfindung stehe. Beispiel: Das Kind benimmt sich im Restaurant ungezogen. Die primäre Empfindung (der Eltern) ist Verlegenheit. Die sekundäre Empfindung Zorn: «Hör auf, dich wie ein Zweijähriger zu benehmen!» (S.149) Gordon hilft in seinen Kursen Eltern, den Unterschied zwischen primären und abgeleiteten Empfindungen zu verstehen, mit dem Ziel, auf die primären Empfindungen innerlich zu hören und diese als Ich-Botschaft auszudrücken:
«Bei der Auseinandersetzung mit unserer Ausbildung lernen die Eltern, dass sie, wenn sie sich häufig durch zornige Du-Botschaften Luft machen, besser daran täten, sich einen Spiegel vorzuhalten und zu fragen: ‹Was geht in
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