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Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung; Differentielle Psychologie der Kommunikation (German Edition)

Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung; Differentielle Psychologie der Kommunikation (German Edition)

Titel: Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung; Differentielle Psychologie der Kommunikation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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andere den ganzen Schinken genommen hat. («Hauptsache, du hast genug, ja!?») Während der heftigen Auseinandersetzung wird dem Zornigen seine Angst bewusst, überall und immer zu kurz zu kommen (und entsprechend «auf der Lauer zu liegen»). Sodann kommen Tränen auf, verjährte Traurigkeit darüber, dass dies in Schlüsselsituationen seines Lebens tatsächlich so war. Die Gefühlsreihenfolge, die sich hier in der Auseinandersetzung ereignet hat (Wut – Angst – Trauer), hatte für diesen Menschen eine innere Logik, hätte nicht andersherum sein können. Das Spüren und Ausdrücken der Wut hat das Folgende erst möglich gemacht. Eine «konstruktive» Anfangsreaktion hätte den latenten Konflikt nicht ausbrechen lassen oder nur oberflächlich berührt – und so den Zorn auf den «raffgierigen Egoisten» konserviert.

    Abb. 28:
    Der Mensch als emotionales «Schichtenwesen»: In der «Sprechblase» kann (authentisch) nur jeweils die Gefühlsqualität zum Ausdruck kommen, die «zuoberst» liegt.
    Dies alles ist nicht so zu verstehen, dass der Mensch in dem, was er von sich gibt, dem Diktat seiner Gefühle und deren Schichtung unterläge. Viele Situationen, besonders im beruflichen Kontext, verlangen eine eher diplomatische Gesprächskunst , die dem Fortgang der sachlichen Angelegenheiten und nicht primär der persönlichen Gefühlslage zu dienen hat. Und so erscheint es hier als erstrebenswerte Souveränität , von der eigenen Befindlichkeit auch einmal absehen zu können. Es kann überaus nützlich sein, einer spontanen Zornesaufwallung, etwa gegenüber einem Mitarbeiter, nicht ihren freien Lauf zu lassen, sondern durch die Form der Ich-Botschaft den sachlichen Inhalt zu transportieren, ohne dabei gleichzeitig den Beziehungs-Stachel auszufahren.
    Beispiel: Ein Mitarbeiter hat die Vorlage für ein Rundschreiben an alle Abteilungsleiter geliefert. Der Chef ist wütend über die «Schlamperei» der Arbeit. Die Version A: «So können Sie vielleicht mit Ihren Laboranten reden, herrje nochmal! Muss man denn hier alles selbst machen?» enthält die immer wieder berichtete Gefahr, dass Mitarbeiter sich derart wertlos gemacht fühlen, dass sie nur noch mit rasendem Herzen, bebenden Knien und schweißnasser Faust in den Hosentaschen zum Chef gehen, hin- und herschwankend zwischen demütiger Selbsterniedrigung, buchstäblich mörderischen Aufwallungen und gespielter Gleichgültigkeit. Fast immer schlägt der Vorgesetzte, ohne es zu ahnen, in eine «alte Kerbe» hinein: frühere Erfahrungen von Kränkung und Minderwertigkeit, die bei solcher Gelegenheit wiederbelebt werden und die Wucht des empfangenen Schlages innerlich vervielfachen. Es ist für Vorgesetzte wichtig zu wissen, dass solche seelischen Vorgänge nicht durch gutgemeinte Ermahnungen wie «Nun seien Sie doch nicht so überempfindlich!» außer Kraft gesetzt werden. Es verhält sich eher wie bei einer Katzenhaar-Allergie: Während zu Anfang ganze Haarbüschel vielleicht einen leichten Reiz in den Schleimhäuten hervorrufen, so mag am Ende ein einziges Katzenhaar ausreichen, um entzündete Augen und asthmatische Anfälle zu provozieren. Von daher ist es wünschenswert, wenn Vorgesetzte es lernen, ihren Unmut zu versachlichen (nicht: zu verleugnen), zum Beispiel durch folgende Version B : «Bei einigen Ihrer Formulierungen befürchte ich, dass sich die Adressaten unnötig auf den Schlips getreten fühlen, zum Beispiel wenn Sie schreiben: …»
    Der Nachteil freilich kann darin bestehen, dass der Vorgesetzte bei dieser Version seine Aggression nicht loswird und sie gegenüber dem Mitarbeiter in Form eines Ressentiments aufbewahrt. Im günstigen Fall ist die Beziehungsarbeit schon so weit gediehen, dass die Beziehungsbasis es aushält, wenn hin und wieder ein Kragen platzt. Nach meiner Erfahrung sind es auch im beruflichen Bereich keineswegs immer die kultivierten, einfühlsam-dialogischen Gespräche im Sonntagsanzug, die etwas Konstruktives in Bewegung bringen; wenn im Augenblick des Aneinandergeratens (Phase 1) vorübergehend gegen alle Regeln der Gesprächsführung verstoßen wird, kann das durchaus heilsam sein – vorausgesetzt, dass beide so zueinander stehen, dass eine klärende Nachbesprechung selbstverständlich ist und im Geiste heilsamer Beziehungspflege und sachlicher Lösungssuche erfolgt.
    Dies gilt noch mehr für die Kommunikation in der Partnerschaft, wo die Gefühle zueinander einen wichtigen Teil der Beziehungsgrundlage darstellen. Hier geht es nicht

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