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Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung; Differentielle Psychologie der Kommunikation (German Edition)

Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung; Differentielle Psychologie der Kommunikation (German Edition)

Titel: Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung; Differentielle Psychologie der Kommunikation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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Verträge schließen, Verabredungen treffen, usw. – du lieber Gott, was weiß ich denn heute, wie mir Donnerstag zumute sein wird? – Und dann kommen sie an und wollen einem mit ihrem Tugendkatalog die Hölle heiß machen: Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Treue – na ja, geb ich zu, Treue ist manchmal gar nicht so schlecht, aber sonst? Mit ihrer Pedanterie und spießbürgerlichen Enge können sie einem wahnsinnig auf die Nerven gehen. Dabei geb ich mir oft sogar Mühe, zum Beispiel pünktlich zu sein, aber es ist komisch: Je mehr ich mich anstrenge, desto weniger klappt es! Ich weiß selbst nicht, woran das liegt – das müsste mal ein kluger Wissenschaftler erforschen. Aber ich bin, glaube ich, schlecht zu erforschen, weil ich immer wieder anders bin. Wenn der mich heute testen würde, wären seine Ergebnisse nächste Woche veraltet, sag ich dir! Sag doch auch mal was! Mir ist, als ob ich dich aus dem letzten Stummfilm kennen würde! Letztens haben sie einen gezeigt, da wackelt ’ne Graugans immer hinterm Zug her, weil sie denkt, der wäre ihre Mutter – und all so verrücktes Zeug, aber mir passieren auch oft die unglaublichsten Geschichten, zum Beispiel neulich …»

    Die kommunikative Grundbotschaft hat ihre stärkste Betonung auf der Selbstkundgabe . Es ist, als ob der Mitteilungsfreudig-Dramatisierende mit einem Glöcklein (oder einer Pauke) herumliefe und «Hört, hört, so bin ich!» riefe.

    Abb. 39:
    Grundpose des mitteilungsfreudig-dramatisierenden Stils
    Eindrucksvoll und mit etwas ironischer Distanz zu sich selbst schreibt eine Studentin:
«Vorhang auf! Seid ihr alle da? – Ich bin bereit. Das Drama kann beginnen: Wie es mir gefällt!»
    … und fährt etwas später fort:
«Mir ist dieser Hang zur Selbstdarstellung und diese Lust, im Mittelpunkt zu stehen, wohl vertraut. Ja, ich kenne diese dramatisierende Schraube, die, wenn sie erst einmal gestartet ist, sich zu einem Selbstgänger entwickelt und immer höher und höher schraubt, beziehungs- und bodenlos. Der Absturz ins schwarze Nichts erfolgt plötzlich und hätte doch erwartet sein können. Es ist der Moment, in dem übersteigerte Fröhlichkeit und verzweifeltes Schluchzen eins sind und nur noch dieser schmerzhafte Abfall ein Überdrehen verhindern und ein Zu-sich-Kommen schaffen kann.
Warum dieses Aufdrehen? Hört mich sonst keiner? Nimmt mich sonst keiner wahr? Spüre ich mich nur in diesen Extremen? The show must go on – why? …»
    Der Inhalt der Selbstdarstellung kann sehr verschieden sein, charakteristisch ist die starke Betonung. In Verbindung mit der bedürftig-abhängigen Strömung ertönt es dramatisch hilflos und unter Tränen: «Ich bin völ-lig am En-de! Entweder du hilfst mir jetzt sofort, oder ich bin verloren!» – In Verbindung mit der sich beweisenden Strömung lautet die Botschaft «Ich bin der-art außergewöhnlich …!» Eine andere Studentin berichtet:
«Wahrgenommen zu werden ist für mich das Allerwichtigste. Nur nicht einer von vielen sein, der sich durch nichts abhebt. Nein, lieber was Besonderes, Einzigartiges. Ich betonte zu diesem Zweck immer sehr, daß ich in Südfrankreich studiert habe. Und was da alles so war, hat niemand mit mir gemeinsam. Das ist einfach was Tolles. Und das muß es auch sein. Mittelmäßigkeit ist für mich tödlich.»
    Die Beziehungsbotschaft hat leicht einen doppelten Boden: Einerseits wird dem Gesprächspartner signalisiert, wie wichtig er ist – schon durch seine aufmerksame Zuwendung; andererseits spürt dieser nach einiger Zeit, dass er zum bloßen Resonanzboden wird, zum Publikum eben, und so fühlt er sich, obwohl intensiv angesprochen, doch nicht wirklich gemeint : Dieselbe Geschichte hätte der Mitteilungsfreudige mit denselben Worten und Betonungen auch jemand anderem erzählen können – Publikum ist austauschbar. Auf diese Weise kann trotz größter Kontaktfreudigkeit eine eigenartige Kontaktlosigkeit entstehen.
    Der Grundappell schließlich lautet: «Wende dich mir mit deiner Aufmerksamkeit zu und werde bestätigender Zeuge meiner Selbstdarstellung!»

    Abb. 40
    Grundbotschaft des mitteilungsfreudig-dramatisierenden Stils
    Bevor wir den Kommunikationsstil in seinen Varianten etwas vertiefen, werfen wir wenigstens einen flüchtigen Blick auf die seelische Biografie eines Menschen, der von der geschilderten Art geprägt ist. Im einfacheren Fall mag das Kind die Erfahrung gemacht haben, dass man es nicht beachtet und links liegen lässt, es sei denn, es «dreht auf» und

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