Miteinander reden von A bis Z
45 :
Zwei Phasen im Konflikt
Die erste ist die Phase des Aneinandergeratens, in der es zu Gefühlsausbrüchen, Vorwürfen und Streit kommt. In der zweiten Phase schauen die Beteiligten gemeinsam und mit Distanz zum Geschehen auf den Konflikt. Sie besprechen und reflektieren das Erlebte, auf diese Weise kann der Konflikt zur Klärung beitragen und auch Veränderungsimpulse entfalten. Für eine konstruktive Konfliktaustragung sind beide Phasen essenziell. Fehlt die erste Phase und steigen die Beteiligten sofort in die → Reflexion ein, wird schon bearbeitet, was noch gar nicht ans Tageslicht gekommen ist. Die Klärung läuft dann Gefahr, oberflächlich zu bleiben, häufig belastet Unausgesprochenes und Unausgebrochenes dann noch unterschwellig die Beziehung. Fehlt hingegen die zweite Phase, kommt es zwischen den Beteiligten nur zur Konfrontation, nicht jedoch zur Reflexion, kann der Konflikt weder geklärt noch beigelegt werden. Es entsteht kein Verständnis für das Vorgefallene, es gibt keine Lösung und die Beziehung bleibt belastet.
Zur Differenzierung von Konflikten ist es hilfreich, zwischen der → Sache und der → Beziehung zu unterscheiden. Das Vier-Felder-Schema der Konflikte greift diese Differenzierung auf (s. Abb. 46 ).
Abb. 46 :
Vier-Felder-Schema der Konflikte
Im Feld 1 kann es sich zwar um eine Rüge oder einen Vorwurf handeln, allerdings besteht zwischen den Beteiligten sowohl Einigkeit über die Sachlage als auch über die Beziehung, somit handelt es sich nicht um einen Konflikt. Beispielsweise wenn Karin ihren Mann Werner rügt, weil er zu selten den Müll runterbringt und Werner ihr inhaltlich («Stimmt, ich bin wirklich mal wieder dran!») ebenso wie auf der Beziehungsseite («Mit dem Tonfall deiner Kritik bin ich einverstanden») zustimmt.
Im zweiten Feld gibt es zwar eine Übereinstimmung auf der Sachebene («Stimmt, ich bin wirklich mal wieder dran!»), aber eine Uneinigkeit auf der Beziehungsebene («Dennoch finde ich den Tonfall deiner Kritik unangemessen – so nicht!»). In diesem Fall ist eine Klärung der Beziehung angeraten («In welchem Tonfall reden wir miteinander?»), nicht der Sachlage («Wer ist wann dran, mit Müll rausbringen?») Die Beteiligten müssen nun aufpassen, dass sich Sach- und Beziehungsthemen nicht vermischen, dass sie nicht das Beziehungsthema auf der Sachebene austragen und sich beispielsweise in einen Streit darüber verstricken, wie häufig Werner den Müll rausbringt – während es eigentlich um den Tonfall geht ( → Konfliktverschiebung ).
Im dritten Feld sind sich die Beteiligten auf der Sachebene uneinig («Stimmt nicht, ich habe den Müll gestern rausgebracht und heute schon das Bad geputzt!»), jedoch in der Beziehung einig («Dennoch ist es okay, dass du mich in dieser Art und Weise ansprichst»). In einer solchen Situation ist ein Dialog über die Sache angebracht.
Im vierten Feld besteht sowohl Uneinigkeit in der Sache («Stimmt nicht!») als auch in der Beziehung («Und außerdem nicht in diesem Ton!»). Ein solcher Doppelkonflikt birgt die Gefahr, dass sich Sach- und Beziehungsthemen im Streit zu einem schwer sortierbaren Gemenge vermischen. Hier ist ratsam, Sache und Beziehung voneinander zu trennen und beides nacheinander zu betrachten. Dabei gilt: Beziehungsklärung vor Sachklärung, da es in der Regel schwierig ist, sich über Sachthemen zu einigen, solange die Beziehung belastet und ungeklärt ist.
Eberhard Stahl ( 2010 ) unterscheidet vier Beziehungsmodi, in denen man sich im Konflikt begegnen kann (Partner, Parteien, Gegner oder Feinde), sowie drei inhaltliche Kategorien (Streit um Wahrheit [Fakten], um Bewertungen [Meinungen], oder um Interessen [Prioritäten]). Diese Unterscheidungen bilden die Grundlage für 12 Konflikttypen, die jeweils einen unterschiedlichen Charakter aufweisen und daher mit verschiedenen Kommunikationsempfehlungen einhergehen.
Eine typische Dynamik in Konflikten wird im Modell des → Teufelskreises beschrieben.
Literatur
Miteinander reden 1 , S. 52 ff., 229 ff. (S. 48 f., 198 ff.)
Benien, K.: Schwierige Gespräche führen, S. 69 ff.
Glasl, F.: Konfliktmanagement.
Stahl, E: Konfliktinszenierungen. In: Schulz von Thun, F./Kumbier, D.: Impulse für Kommunikation im Alltag. S. 40 ff.
Thomann, Ch.: Klärungshilfe 2 .
Konfliktverschiebung
Der Begriff Konfliktverschiebung beschreibt den Fall, dass der Konflikt oder die Konfliktenergie (häufig unbewusst) an eine andere
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