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Miteinander reden von A bis Z

Miteinander reden von A bis Z

Titel: Miteinander reden von A bis Z Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedemann Schulz von Thun , Kathrin Zach , Karen Zoller
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und Empfänger.
Das Ausmaß der Öffentlichkeit (N): Wenn ich im Beisein vieler Leute bloßgestellt werde, ist es schlimmer, als wenn es unter vier Augen geschieht. Öffentlich in den Medien am Pranger zu stehen, enthält ein extrem hohes Kränkungspotenzial.
Die Abwehrkapazität (Ak): Wenn ich in der Lage bin, der Kränkung «schlagfertig» zu begegnen, bleibt sie weniger tief stecken, als wenn ich sie passiv erleiden muss.
     
    Daraus ergibt sich die Formel (s. Abb.  47 ):

    Abb.  47 :
    Hypothetische Kränkungsformel (Schulz von Thun)
    Die Formel ist weniger dazu gedacht, mit konkreten Zahlen gefüllt zu werden und das Maß der Kränkung quantitativ zu bestimmen – wenn man das wollte, müsste man zuvor Schätzskalen für Ka, Et und Ak konstruieren. Vielmehr kann sie den Zusammenhang zwischen den wichtigen Faktoren verdeutlichen und in der Kommunikationsberatung mögliche Optionen aufzeigen. Beispiel: Jemand fühlt sich durch die Unverschämtheit seines Chefs schwer gekränkt. Berater: «Ich sehe jetzt zwei Möglichkeiten: Wir könnten entweder daran arbeiten, Ihre Reaktionsfähigkeit (Ak) in solchen Momenten zu erhöhen, und/oder einmal herausfinden, warum der Stachel so tief eindringen konnte (Et). Was hätte für Sie Vorrang?»
    Zwar können und sollten wir anstreben, Kränkungen im Umgang miteinander zu vermeiden ( →   gewaltfreie Kommunikation ), aber wir werden das Phänomen nicht aus der Welt schaffen. Es lohnt sich daher, auf die eigenen erlittenen Kränkungen einen Rückblick zu werfen. Unbearbeitet nagen diese an der Seele, rauben Energie und verleiten zu unverhältnismäßigen Reaktionen. Manchem gewalttätigen Ausbruch liegt eine alte Kränkung zugrunde, die aus dem Untergrund ihre Munition abfeuert.

Minderwertigkeitsgefühl
    Der Begriff wurde von dem Tiefenpsychologen Alfred Adler geprägt und fand schnell und dauerhaften Eingang in die Alltagssprache. Wer kennt es nicht, dieses Gefühl, den Herausforderungen des Lebens nicht zu genügen? In letzter Zeit aber ist der Begriff aus der Mode gekommen, man spricht eher von «Selbstzweifeln».
    Minderwertigkeitsgefühle entstehen aus dem Erleben tiefgreifender persönlicher Unzulänglichkeit. Sie nähren sich aus der Differenz zwischen dem «So bin ich» und dem «So sollte ich sein!» Mit dem Grundgefühl der eigenen Unzulänglichkeit verbindet sich die Angst, zu versagen, heruntergemacht zu werden, in eine unterlegene Position zu kommen oder ausgegrenzt zu werden. Das Minderwertigkeitsgefühl taucht besonders dann auf, wenn der betreffende Mensch sich in irgendeiner Form bewähren oder beweisen muss, also in Bewertungssituationen, bei der Konfrontation mit neuen Aufgaben oder unbekannten Situationen.
    Meist ist der Grundstein eines solchen Mangels an Selbstwertgefühl in der Kindheit gelegt: Das Kind erlebt und erleidet den Zusammenstoß seines Klein-Seins mit den «großen» Erwartungen der Leistung und des Wohlverhaltens. Wird die Abweichung mit Liebesentzug und schweren Kränkungen geahndet und/oder ist der Anspruch an ein Idealverhalten zu ehrgeizig oder verfehlt die Wesensart des Kindes, dann droht das Kind die Grundbotschaft «So wie du bist, bist du nicht in Ordnung» zu verinnerlichen und im Extremfall einen «Minderwertigkeitskomplex» zu entwickeln.
    Was hat das alles mit Kommunikation zu tun? Zum einen sehen wir bereits, dass Minderwertigkeitsgefühle ein Resultat von herabsetzender und verachtender Kommunikation sind. Zum anderen verführen unbewältigte Minderwertigkeitsgefühle ihrerseits zu bestimmten Kommunikationsweisen, auch beim Erwachsenen. Da ist erstens die Tendenz zum Imponiergehabe. Nach Adler strebt die menschliche Psyche danach, einen empfundenen Mangel auszugleichen («Kompensation»), und schießt dabei «gern» über das Ziel hinaus («Überkompensation»). Wer sich also im Innern minderwertig fühlt, versucht sich nach außen hin besonders großartig darzustellen, meist unbewusst.
    Da ist zum Zweiten eine Tendenz, das Gegenüber herabzusetzen, im äußersten Fall als erbärmlichen Verlierer hinzustellen (Adler sprach von →   «Entwertungstendenz» ). Was man selbst erlitten hat, fügt man jetzt anderen zu und kann sich durch das Herabdrücken des anderen ein wenig selbst erhöhen, gleichzeitig das eigene Gefühl von Minderwertigkeit auf das Gegenüber (oder auf nicht anwesende Dritte) projizieren ( →   Projektion : «Was ich an mir nicht leiden kann, das häng ich einem andern an!»).
    Das ist drittens eine

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