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Miteinander reden von A bis Z

Miteinander reden von A bis Z

Titel: Miteinander reden von A bis Z Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedemann Schulz von Thun , Kathrin Zach , Karen Zoller
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erhöhte Kränkbarkeit ( →   Kränkung ). Das Beziehungsohr ( →   Vier Ohren ) ist hochempfindlich und schlägt schon bei harmloser Kritik oder auch nur einem Blick an («Was guckst du so? Willst du eine in die Fresse?!»). Denn jede Äußerung eines anderen kann die alte Wunde anrühren, «nicht ok» zu sein.
    Viertens können Minderwertigkeitsgefühle sich sprachlich in einer Selbstabwertung ausdrücken: «Mit mir ist eh nicht viel los … Das schaffe ich nie … Dafür bin ich zu dumm …!»
    Für Schulz von Thun führte nicht zuletzt die Auseinandersetzung mit der Adlerianischen Individualpsychologie zu der Erkenntnis, dass eine Verbesserung der Kommunikation nicht einfach durch Training, sondern nur in Auseinandersetzung mit dem «inneren Menschen» erreichbar ist.
    Literatur
    Miteinander reden 1 , S.  112 ff. (S.  100 ff.)
    Ansbacher, H./Ansbacher, R.: Alfred Adlers Individualpsychologie.

Missverständnisse
    Missverständnisse sind normal. Denn was ich im Kopf und im Herzen habe, das kann ich dir nicht direkt übermitteln.
    Wenn ich, sagen wir, einen Apfel habe, dann kann ich ihn dir reichen und dich hineinbeißen lassen – dann weißt du genau, was ich habe. Wenn ich aber einen Gedanken habe oder etwas auf dem Herzen, dann ist das zunächst «in mir drin». Wenn ich dir das mitteilen möchte, kann ich mich nicht aufschließen und sagen: «Fass es gern an und beiße hinein!» Geht nicht!
    Aber es gibt einen Notbehelf: Ich kann das, was in mir drin ist, in Zeichen übersetzen (enkodieren), in sprachliche und nichtsprachliche Zeichen. Diese Zeichen kann ich auf die Reise schicken, sodass sie bei dir ankommen können, wenn alles gut geht. Wohlgemerkt, die Zeichen kommen bei dir an, nicht die Sache selbst, für die sie stehen. Wenn du in der Lage bist, diese Zeichen zu verstehen (zu decodieren) – ich meine jetzt: nicht nur akustisch, sondern auch ihre Bedeutung –, dann bekommst du eine Ahnung davon, was «in mir drin ist». Dann hörst du nicht nur, was ich gesagt habe, sondern ahnst auch, wie ich es gemeint habe.
    Wunderbar! Durch diesen Notbehelf können wir einander (mehr oder weniger) erreichen und müssen nicht auf der Insel unserer Innenwelt allein bleiben und vereinsamen. Verständnis ist möglich! Allerdings steht und fällt der Turm von Babel mit meiner Fähigkeit, das, was in mir ist, in eine Sprache zu übersetzen, die für das Gemeinte passend ist und die so verständlich ist, dass du ihr das Gemeinte entnehmen kannst. Und er steht und fällt mit deiner Fähigkeit, aus dem Gesagten das Gemeinte herauszuhören. Beides ist eine hochakrobatische Leistung und kann immer nur mehr oder minder gut gelingen. Deswegen sind Missverständnisse normal.
    Es ist nämlich so: In dem Moment, in dem der Sender etwas in Worte fasst, haben diese Worte eine Bedeutung, sagen wir: eine Senderbedeutung. Werden diese Worte «auf die Reise geschickt», kann ihre Bedeutung nicht mitgesendet werden. Der «Apfel» bleibt beim Sender, abschicken kann er nur das Lautgebilde «Ap-fel» (sagen Sie das zehnmal hintereinander, und Sie können empfinden, was für ein sinnloses Lautgebilde das ist). Wenn dieses Lautgebilde aber auf einen Empfänger trifft, der dieses Zeichen kennt und für den es ebenfalls eine Bedeutung hat, dann erhält es im Augenblick des Ankommens seine Bedeutung zurück.
    Nein, das ist falsch ausgedrückt! Das Lautgebilde erhält keineswegs «seine» Bedeutung «zurück», sondern es erhält erneut eine Bedeutung, aber diesmal eine, die der Empfänger ihm verleiht. Einem ankommenden Lautgebilde eine Bedeutung zu verleihen, ist ein Hoheitsakt des Empfängers. Da der Sender seinen Apfel nicht mitschicken konnte, muss der Empfänger, inspiriert von dem eintreffenden Lautgebilde, seinen eigenen Apfel pflücken. Dabei wird er auf Äpfel zurückgreifen müssen, die auf seiner Insel wachsen. Vielleicht sind sie rot und klein, während der Senderapfel groß und grün war, aber immerhin: die Verständigung hat einigermaßen geklappt.
    Zuweilen können Missverständnisse sogleich aufgedeckt werden. Dann nämlich, wenn der Empfänger so reagiert, wie er die Sache verstanden hat (z.B. wenn er sich als Gast anschickt aufzubrechen, nachdem der Gastgeber auf die Uhr geschaut hat). Erkennt der Sender dann an der Reaktion, dass der Empfänger etwas «in den falschen Hals» bekommen hat, kann er korrigierend eingreifen: «So habe ich das nicht gemeint, sondern …» (z.B. «Ich wollte schauen, ob schon Zeit für

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