Miteinander reden von A bis Z
nicht gewürdigt, sondern sogar geschmäht fühlen. Kommunikationspsychologisch ausgedrückt: Ein Appell, der auf den anderen Seiten des Kommunikationsquadrates anmaßende oder demoralisierende Begleitbotschaften enthält, ist reaktanzanfällig (s. Abb. 54 ).
Abb. 54 :
Begleitbotschaften einer reaktanzanfälligen Äußerung
Ressourcen
In der Kommunikation bezeichnet man mit Ressourcen menschliche Stärken, die einer Person zur Verfügung stehen, wie beispielsweise Charakterstärken, Fähigkeiten, Erfahrungen usw. Ressourcen sind eine wichtige Kraft, um Probleme und schwierige Situationen zu bewältigen. Zum Beispiel: Frau Merz hat Schwierigkeiten, ihrem Kollegen gegenüber die eigene Meinung zu vertreten. Bei ihrem Ehemann allerdings gelingt ihr dies gut. Damit verfügt sie durchaus über die Ressource, kann sie aber nur in einem Bereich zur Geltung bringen. In einer Beratung könnte sie lernen, die Ressource auch zur Selbstbehauptung gegenüber ihrem Kollegen zu nutzen.
Viele Beratungsansätze betonen heutzutage, dass sie ressourcenorientiert arbeiten. Damit ist gemeint, wenn der Klient ein Problem hat oder vor einer Herausforderung steht, konzentriert sich der Berater/die Beraterin nicht auf dessen Defizite (was ihm fehlt oder was bei ihm falsch läuft), sondern auf dessen Ressourcen. Er/sie erarbeitet mit dem Klienten, was diesem an Stärken und Potenzialen zur Verfügung steht, um das Problem zu lösen, die Herausforderung zu bestehen. Die Konzentration auf die Ressourcen soll ermutigen (statt zu demoralisieren) und auf die Lösung fokussieren (statt z.B. Vorverletzungen aus der Kindheit aufzuklären). Diese Orientierung auf das Positive hat sich in Beratung und Coaching oftmals als Segen erwiesen.
Sich allzu schnell und ausschließlich an der Lösung zu orientieren, kann jedoch auch rein oberflächliche Ergebnisse zeitigen, wenn die biographische Tiefendimension des selbst empfundenen Handicaps unverstanden bleibt. Deshalb scheint es sinnvoll, dass die ressourcenorientierte Grundhaltung mit einer unerschrockenen Analyse der Hindernisse einhergeht, welche der Nutzung der Ressourcen entgegenstehen.
Literatur
Schulz von Thun, F.: Ein paar Gedanken über «Lösungen» aus kommunikationspsychologischer Sicht. In: Schulz von Thun, F./Kumbier, D. : Impulse für Beratung und Therapie, S. 41 – 42 .
Riemann-Thomann-Modell
Menschen unterscheiden sich in ihrer Art zu kommunizieren, in Kontakt zu treten und Beziehungen einzugehen ( → Kommunikationsstile ). Eine Rolle spielt dabei die → Persönlichkeit eines Menschen. Es gibt viele und sehr differenzierte Persönlichkeitstheorien. Eine allererste und für die zwischenmenschliche Kommunikation grundlegende Orientierung bietet das Riemann-Thomann-Modell. Es ist benannt nach dem Psychoanalytiker Fritz Riemann, der in seinem Buch «Grundformen der Angst» vier Ängste beschrieben hat, und nach Christoph Thomann, der das Werk Riemanns für die Alltagskommunikation weiterentwickelt und speziell unter dem Aspekt der Beziehungsdynamik untersucht hat.
Vier Grundstrebungen des Menschen werden hervorgehoben: Die Nähe-Strebung als Bedürfnis nach liebevollem Nahkontakt mit anderen Menschen, nach Harmonie und Gefühlsintensität, die Distanz-Strebung als Bedürfnis nach Individualität, Freiheit und Unabhängigkeit, die Dauer-Strebung als Bedürfnis nach Beständigkeit, Kontrolle, Recht und Ordnung sowie die Wechsel-Strebung als Bedürfnis nach Veränderung, Entwicklung und Spontaneität. Alle vier Strebungen sind bei den meisten Menschen anzutreffen, allerdings in unterschiedlichem Maße, unterschiedlicher Intensität und Wichtigkeit.
Riemann beschreibt vier Grundängste der menschlichen Existenz: die Angst vor Isolation, vor Abhängigkeit, vor Kontrollverlust sowie vor Endgültigkeit. Diese Ängste beeinflussen uns neben den oben genannten Strebungen ebenfalls in unserer Kontakt- und Beziehungsgestaltung. Ein Mensch, der viel Angst vor Einsamkeit hat, vermeidet das Alleinsein und sucht die Geselligkeit, während ein Mensch mit Angst vor Abhängigkeit im Kontakt mit anderen seine Autonomie betont.
Die vier Grundstrebungen Nähe, Distanz, Dauer und Wechsel werden im Riemann-Thomann-Modell graphisch als Pole in einem Achsenkreuz dargestellt (s. Abb. 57 ).
Abb. 57 :
Die vier Grundtendenzen
Der Kreuzungspunkt der Achsen ergibt den Nullpunkt, von dem aus die Strebungen in vier Richtungen laufen. Je stärker eine Strebung ausgeprägt ist, desto weiter
Weitere Kostenlose Bücher