Miteinander reden von A bis Z
Bestreben, ihm seine Unterlegenheit (grell oder subtil) zu demonstrieren.
Zu den beliebten Oberhand-Techniken gehört es, das, was der Gegenüber sagt und tut, zu kommentieren und ihn dafür zu bewerten, z.B.
«Sie werden ja ganz rot, ist Ihnen das Thema unangenehm?»
«Das Argument hört man sehr oft, aber es wird dadurch nicht richtiger.»
«Sie wollen sich doch nicht etwa drücken?»
«Warum kommen Sie nicht herein, ich beiße nicht!?»
«So weit ganz schön – haben Sie noch weitere Argumente?»
«So habe ich in Ihrem Alter auch gedacht!»
«Nun ja, jeder kämpft um seine eigene Laufzeitverlängerung, aber irgendwann muss man auch loslassen können, Herr Altmüller!»
«Das haben Sie sehr schön gesagt, Frau Meierling! Diese Formulierung muss ich mir merken.»
An dem letzten Beispiel ist erkennbar, dass auch positive Du-Botschaften eine Beziehungsdefinition ( → Beziehung ) enthalten können, die («gönnerhaft») von oben nach unten geht («Ich bin der, der benotet – du bist die, die benotet wird»).
Möchte man nicht rettungslos in die Unterhand geraten und sich «so klein mit Hut» fühlen, bedarf es der Kunst der gewaltfreien Selbstbehauptung, um wieder «auf Augenhöhe» zu kommen. So könnte Frau Meierling, anstatt das «Lob» verlegen abzuwehren («Ach, das war doch nur …») und dabei gleichzeitig ungewollt die Beziehungsdefinition zu bestätigen, stattdessen die Unterhand verweigern und kontern: «Vertrauen Sie lieber auf eigene Formulierungen, Herr Obermann, da sind Sie doch gar nicht so schlecht!»
Literatur
Stahl, E.: Die Kunst der Entfesselung. Vom Umgang mit lähmenden Beziehungsdefinitionen. In Schulz von Thun, F./Kumbier, D.: Impulse für Kommunikation im Alltag, S. 71 ff.
Professionalität
Professionalität hat in der Kommunikation in den letzten zwei Jahrzehnten eine enorme Wertsteigerung erfahren. Wer im Berufsleben den Wunsch hat, jemanden unmöglich zu machen, wirft ihm am besten vor, «unprofessionell reagiert» zu haben. Und tatsächlich, besonders in Krisen und schwierigen Momenten, auf der Kippe zwischen Gedeih und Verderb, hängt viel davon ab, ob jemand zum richtigen Zeitpunkt, im richtigen Kontext die richtigen Worte findet. Gut, wenn er/sie dann die Regeln der Kunst beherrscht und sich nicht allzu sehr dem Menschlich-Allzu-Menschlichen überlässt.
Professionelle Kommunikation macht es uns auch zur Aufgabe, zwischen Mensch und Rolle klar zu trennen. Wenn ich es am Flughafen-Schalter mit Reisenden zu tun bekomme, deren Koffer nicht mitgelandet sind, dann bin ich gut beraten, unflätige Schimpfkanonaden nicht persönlich zu nehmen. Die richtige («professionelle») Mannschaftsaufstellung wäre: die sachliche Aufklärerin und (ein wenig) die Empathische an der Kontaktlinie, die empfindliche «Kleine» irgendwo im Hinterland der Seele an einem sicheren Ort ( → Inneres Team ).
Trotz alledem ist das Ideal der Professionalität für die menschliche Kommunikation nicht unproblematisch. Das Wesen der Professionalität liegt in der Rationalität, der Kontrolle und der Perfektion. Für die menschliche Seele sind das, im Übermaß angestrebt, fragwürdige Qualitäten: Zur Menschlichkeit gehört die Berührbarkeit im Gefühl, die Herzlichkeit, die «Natürlichkeit», die sich der einstudierten Norm entzieht, die Fehlbarkeit (nobody is perfect). Und der Ehrgeiz, alles (auch sich selbst) zu kontrollieren und «im Griff zu behalten», kann sich im zwischenmenschlichen Kontakt als ungut erweisen. Professionalität und Menschlichkeit stehen also in einem prekären Verhältnis zueinander – und sind doch für ein Gelingen der zwischenmenschlichen Kommunikation aufeinander angewiesen. Eine anspruchsvolle Partnerschaft!
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R
Reaktanz
Reaktanz ist der Widerwille, appellgemäß zu handeln, nach dem Motto: «Nun gerade nicht!» Wenn A auf B Einfluss nehmen will und vielleicht mit Engelszungen auf ihn einredet, muss er mit Reaktanz rechnen. Auch dann, «wenn er es doch nur gut meint». Die Reaktanz hat viele, oft gute Gründe: Der Empfänger verteidigt seine Autonomie und seine Interessen. Nicht selten provoziert man Reaktanz aber auch durch die Art, wie man spricht. Zum Beispiel wenn eine neue Führungskraft, die manches anders machen will, zu erkennen gibt, dass in der betreffenden Abteilung erst einmal ein Augiasstall ausgemistet werden müsste. Dann wird sie auf Reaktanz stoßen, weil die Mitarbeiter sich für ihre bisherigen Bemühungen nicht nur
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