Mithgar 10 - Die schwarze Flut
seien, dass Elfenblut in ihren Adern fließe. Doch unterscheiden gerade die Augen sie von den Elfen: Zwar stehen sie schräg, und darin gleichen sich die beiden Völker; doch die Augen von Wurrlingen glänzen und sind feucht, und die Iris ist groß und von seltsamer Farbe: bernsteingolden, tiefblau wie Saphire oder hellgrün wie Smaragde.
Auf alle Fälle sind Wurrlinge flink und geschickt bei ihrer geringen Größe, und aufgrund ihrer Lebensweise finden sie sich hervorragend im Wald zurecht und wissen sehr gut über die Natur Bescheid. Und sie sind vorsichtig und wachsam und verdrücken sich lieber, wenn ein Äußerer naht, bis sie Gewissheit über die Absichten des Fremden haben. Doch nicht immer weichen sie vor Eindringlingen zurück: Sollte einer aus dem Großen Volk unangekündigt auf eine Gruppe von Wurrlingen stoßen - etwa auf eine große Familienversammlung von Angehörigen der Othen, die lärmend in einem Moortümpel herumplanschen -, würde der Äußere bemerken, dass plötzlich alle Wurrlinge ihn schweigend ansehen, wobei die Mammen (Frauen) und Alten mitsamt den an sie geklammerten Kleinen ruhig nach hinten wandern, und die Bokker (Männer) dem Fremden in der plötzlichen Stille frontal gegenüberstehen. Doch geschieht es nicht häufig, dass Wurrlinge überrascht werden, und deshalb bekommt man sie nur selten in den Wäldern, Mooren, und Wildnissen zu Gesicht, es sei denn, sie wollen es so. Doch in ihren kleinen Dörfern und Behausungen unterscheiden sie sich kaum von »normalen« Leuten, denn sie pflegen mit Äußeren freundlichen Umgang, solange man ihnen keinen Anlass zu einem anderen Verhalten gibt.
Aufgrund ihres vorsichtigen Wesens neigen Wurrlinge zu Kleidung, die sich nicht von der Umgebung abhebt, und bevorzugen Grün-, Grau- und Brauntöne. Und die Schuhe und Stiefel, die sie tragen, sind weich und verursachen kein Geräusch beim Gehen. Während der Jahrmarktszeit oder bei anderen Festlichkeiten jedoch kleiden sie sich in fröhliche, schreiende Farben - Scharlachrot, Orange, Gelb, Blau, Purpur -, sie blasen gern Hörner und schlagen Trommel, Gong und Zimbal und sind allgemein ausgelassen.
Zu den fröhlichsten, ausgelassensten Zeiten zählen jene, mit denen der Übergang von einem Wurrlingsalter in das nächste gefeiert wird, nicht nur die »gewöhnlichen« Geburtstagsfeste, sondern insbesondere diejenigen, an denen sich ein »Altersname« ändert: Kinder beiderlei Geschlechts bis zu zehn Jahren werden Junges genannt; von zehn bis zwanzig Jahren heißen die männlichen Kinder Bürschchen und die weiblichen Maiden. Von zwanzig bis dreißig heißen männliche Wurrlinge Jungbokker beziehungsweise weibliche Jungmammen. Mit dreißig Jahren werden Wurrlinge mündig oder volljährig und heißen von da an bis sechzig Bokker oder Mamme, was außerdem die allgemeinen Bezeichnungen für einen männlichen beziehungsweise weiblichen Wurrling sind. Mit sechzig werden sie zu Altbokkern bzw. Altmammen und jenseits der fünfundachtzig nennt man sie Greiser oder Grume. Und bei jedem dieser besonderen Geburtstagsfeste schlagen Trommeln, tuten Hörner, scheppern Becken und läuten Glocken; bunte Gewänder schmücken die Feiernden. Einmal im Jahr, am Langen Tag in der Jahrmarktszeit, erstrahlt ein Feuerwerk am Himmel, für alle, die im zurückliegenden Jahr Geburtstag oder Jubiläum hatten - was natürlich auf ausnahmslos alle zutrifft -, besonders aber für diejenigen, die von einem Altersnamen in den nächsten gewechselt sind. Sind Wurrlinge erst einmal über das Jugendalter hinaus, neigen sie zu Rundlichkeit, denn sie essen vier Mahlzeiten am Tag und an Festtagen fünf. Wie die Alten zu sagen pflegen: »Wurrlinge sind klein, und kleine Wesen brauchen zu ihrem Fortbestand eine Menge Nahrung. Schaut euch die Vögel und Mäuse an und besonders die Spitzmäuse: Sie alle verbringen den größten Teil ihrer wachen Zeit damit, fleißig Essen in sich hineinzustopfen. Deshalb brauchen wir vom Kleinen Volk mindestens vier Mahlzeiten am Tag, rein um zu überleben!«
Häusliches Leben und Dorfleben der Wurrlinge sind von ländlichem Frieden geprägt. Oft verbringt das Kleine Volk den Tag in Gemeinschaft: Die Mammen klatschen beim Nähen oder Einmachen, Bokker und Mammen treffen sich zum Pflanzen oder zur Ernte, zum Errichten oder Graben einer Behausung oder zu Familienfeiern im Freien - bei Letzteren handelt es sich stets um lautstarke Angelegenheiten, da Wurrlinge üblicherweise große Familien haben.
Bei »normalen«
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