Mithgar 10 - Die schwarze Flut
Königs kroch, ließ die große Rukhen-Trommel noch immer mit bleiernem Schlag den Puls der wartenden Horde ertönen, doch worauf sie wartete, das vermochte er nicht zu sagen. In Tucks Kopf wirbelten die Ereignisse des Tages durcheinander, und trotz seiner Erschöpfung konnte er sich nicht vorstellen, wie er in der vom Feind umstellten Feste und bei dem dumpfen Hämmern einer großen Trommel Schlaf finden sollte. Doch Augenblicke später war er fest eingeschlummert und wachte erst wieder auf, als sich schließlich auch Aurion auf dem Weg ins Bett müde durch das Vorzimmer schleppte. Die ganze Nacht lang erfüllten flüchtige Blicke auf schnelle Reiter Tucks Träume, sie tauchten aus fernen Schatten auf und verschwanden wieder, doch ob es sich um Menschen auf Pferden oder um Ghule auf Helrössern handelte, das konnte er nicht feststellen. Und irgendwo schlug eine mächtige, schwere Glocke ein furchtbares Klagelied: Bum! Bum! Bum! Noch zweimal, bevor Tuck auf die Wälle zurückkehrte, wurde am Rande der Dunkelheit, an der äußersten Grenze des Sehvermögens von Wurrlingen, Bewegung ausgemacht - doch wer sie verursachte, konnte niemand feststellen. Diese und andere Dinge brachte man dem König zur Kenntnis, während er zusammen mit Vidron, Gildor und anderen Mitgliedern des Kriegsrates frühstückte. Zorn huschte über die Züge des Königs, als ein Bote mit der Nachricht kam, dass die Rukha nunmehr die Grabhügel entlang des Nordwalls plünderten. »Wenn für nichts anderes, werden sie dafür büßen«, sagte er bitter, und Tuck erschauderte bei dem Gedanken, dass das Gezücht in den Grabstätten toter Helden und Adliger herumwühlte.
Um sich von den Grabräubern abzulenken, begann Tuck ein Gespräch mit Danner. »Letzte Nacht habe ich von Reitern im Dunkel geträumt, aber ob es Menschen oder Ghule waren, konnte ich nicht feststellen.«
»Mich haben keine Träume gequält. Ich habe geschlafen wie ein Toter«, erwiderte Danner.
»Ich bin in der Nacht ständig aufgewacht«, warf Patrel ein, »und jedes Mal, wenn ich aufgeschaut habe, saß Gildor in einem Sessel am Fenster und strich leise über seine Harfe. Als ich ihn darauf ansprach, meinte er, ich solle mir keine Sorgen machen, der Schlaf von Elfen sei >anders< - aber wie er nun ist, das hat er nicht gesagt.«
»Was er wohl gemeint hat mit >anders«, überlegte Danner, aber bevor sie weitersprechen konnten, war es an der Zeit, aufzubrechen.
Sie erhoben sich vom Tisch und streiften ihre Wintersachen über, dann marschierten sie durch die Korridore und hinaus auf die Pflastersteine. Als sie an die kalte Luft kamen, war Tuck froh über seine behagliche Kleidung aus Eiderdaunen, auch wenn sie seine strahlende Silberrüstung verbarg, denn er fand, nur ein Narr würde Wärme gegen Befriedigung der Eitelkeit tauschen.
Auf dem Weg zu den Festungswällen sagte Danner zu Tuck: »Ich habe über unsere missliche Lage nachgedacht. Worauf alles hinausläuft, ist der Umstand, dass die Horde noch immer wartet... und niemand weiß auf wen oder was. Und unsere Kräfte stehen zur Verteidigung der Mauern bereit, und lassen sich zurückfallen, bis wir in diesem... steinernen Grab in der Falle sitzen. Das gefällt mir nicht, Tuck, das gefällt mir ganz und gar nicht - darauf warten, eingeschlossen zu werden. Gib mir stattdessen die Freiheit der Sümpfe, Wiesen und Wälder der Sieben Täler, und die Horde wird eher verrotten, als mich dort zu besiegen.«
»Ich bin ganz deiner Ansicht, Danner«, erwiderte Tuck. »Dieses Warten ist schrecklich. Wir tun scheinbar nichts weiter, als zu warten, über den Feind hinweg in die Dunkelheit dahinter zu spähen und von diesem Wall zu jenem zu stürzen, weil irgendetwas - das alles sein kann - im Halbdunkel aufflackert, und die ganze Zeit warten und warten wir, bis der Feind losschlägt. Ich fühle mich ebenfalls gelähmt und eingeschlossen, und wir haben erst einen Dunkeltag hinter uns. Was sollen wir bloß tun, wenn sie Wochen oder Monate da draußen stehen? Wir werden den Verstand verlieren, so sieht es aus. Aber lass mich auf eines hinweisen: Wir warten nicht, bis wir eingeschlossen sind, sondern wir sind bereits eingeschlossen. Jetzt haben wir keine andere Wahl mehr, als Ganns Strategie zu folgen und zu hoffen, dass sie aufgeht. Indem wir hierbleiben, binden wir die Horde. Und wenn das Heer kommt, werden die Karten neu gemischt, denn dann ist es die Horde, die in der Falle sitzt.«
»Nur wenn das Heer in ausreichender Stärke kommt und
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