Mithgar 10 - Die schwarze Flut
waren tapfer, und er führte sie auf einem Pferd, das schwärzer war als die Nacht, so schwarz wie Gagatstein.«
»Ha! Das habt Ihr gut getroffen, denn es heißt Gagat, und kein Pferd ist schwärzer.« Aurion schlug sich mit der Faust in die Handfläche. »Ach, ich wünschte, ich hätte es mit eigenen Augen sehen können. Es hätte meinem Herzen gutgetan, Zeuge dieses mutigen Vorstoßes zu sein. Doch ich musste mich im Schwertkampf der Feinde auf der Rampe erwehren.«
»Wer reitet den Schwarzen?«, fragte Tuck und prüfte einen weiteren Pfeilschaft. Er glaubte, die Antwort des Königs bereits zu kennen, wartete jedoch auf Aurions Bestätigung.
»Galen ist es, der Gagat reitet.« Stolz stand in den Zügen des Königs. »Kein Krieger kommt ihm im Kampf gleich.«
Das war also Fürst Galen, dachte Tuck, der Fürst Galen meiner Prinzessin Laurelin, Tucks Hand wanderte zu dem silbernen Medaillon an seinem Hals, und eine ganze Weile saß er still und gedankenverloren da., »Seht, nun heben sie Wältiger über den ersten Wall.« Die Stimme des Königs riss Tuck aus seinen Gedanken, er stand auf und blickte über die verkohlten Ruinen der unteren Stadt hinweg zu der Stelle, wo die gewaltigen Ogrus an dicken Tauen zogen, um den Sturmbock über das erste Bollwerk zu hieven. Der riesige Schlegel war zu lang, als dass man ihn durch den gewundenen Durchgang des Nordtors schaffen konnte - oder durch irgendein anderes Portal.
Tuck sah einen Augenblick zu, dann wanderte sein Blick zu dem brennenden Turm.
»Was ist mit den übrigen Türmen, Majestät? Wird man sie ebenfalls über den Wall befördern?«
»Nein, Tuck, dafür sind sie zu groß und zu schwer, selbst für das Volk der Trolle«, entgegnete der König. »Außerdem haben wir Nachricht erhalten, dass nur noch ein Turm übrig ist; alle anderen sind in Flammen aufgegangen wie dieser hier. Sie wurden von Galens Leuten alle zur gleichen Zeit in Brand gesteckt; mein Sohn hat seine Truppe zu diesem Zweck aufgeteilt.« Aurions Gesicht wurde ernst. »Sie zahlten einen hohen Preis dafür, denn vielleicht höchstens dreißig Leute konnten insgesamt entkommen, und auch diese wurden von Ghola verfolgt. Niemand hier weiß um ihr Schicksal. Doch Galen ist gerissen und wird die Verfolger hoffentlich überlisten.«
Tuck freute sich zu hören, dass die Türme in den bevorstehenden Kämpfen keine Rolle mehr spielen würden, doch er sorgte sich um das Schicksal von Fürst Galens Männern. Er trat von der Brustwehr und setzte sich mit dem Rücken zum Wall. »Ihr solltet nun ausruhen, kleiner Freund« sagte Aurion, »denn bald schon werden sie Wältiger wieder zusammengesetzt haben, und dann beginnt der Kampf um diesen Wall hier.«
»Ja, Majestät«, antwortete Tuck, »aber ich muss unbedingt vorher noch einige Schäfte befiedern, denn ich habe fast alle anderen verbraucht, und wie ich schon sagte, sind die Pfeile von Menschen für Wurrlinge zu lang, auch wenn sie im Notfall verwendbar wären.« Während der König von dannen schritt, arbeiteten Tucks Finger fieberhaft, und ein Schaft nach dem anderen wurde zurechtgeschnitten und mit Federn versehen. Dann befestigte er sorgfältig Eisenspitzen an den Geschossen. In der Burg gab es zwar noch einen Vorrat an Pfeilen, den die Wurrlinge in den letzten Tagen angelegt hatten, aber Tuck war klar, dass sie diese später noch brauchen würden, deshalb fertigte er neue. Und so sehr war er in seine Arbeit vertieft, dass er gar nicht bemerkte, wie die Zeit verging. Darum wusste er auch nicht, wie lange er schon dort saß, als er von fern das Zischen der feindlichen Wurfschleudern hörte. Noch zweimal ertönte es, aber Tuck schaute nicht von seiner Arbeit auf. Dann jedoch hörte er die gequälten Schreie von Männern, und als er schließlich den Kopf hob, bot sich seinen Augen ein grauenhafter Anblick: Die Horde der Rukhs hatte die Leichname der gefallenen Menschen enthauptet und in Stücke gehackt, und nun ließ das Katapult die verstümmelten Überreste auf die Verteidiger herabregnen. Immer wieder sauste der Wurfarm der großen Schleuder in die Höhe, und weinende Krieger stolperten durch die Asche der verbrannten Stadt, um einzusammeln, was von ihren schrecklich entstellten Kameraden noch übrig war, die mit lippenlosen Mündern das Grinsen des Todes zeigten.
Tuck wandte das Gesicht zur steinernen Mauer und weinte die hilflosen Tränen eines verirrten Kindes, und noch immer schleuderte das Katapult.
»Haltet Euch bereit. Sie kommen.« Aurions
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