Mithgar 12 - Der schwaerzeste Tag
aber kam es, dass Prinz Galen an der Spitze dieser Streitmacht ritt? Und noch dazu auf Sturmwind? Wo war König Aurion?
Pah! Alle diese Fragen spielten im Augenblick keine Rolle. Worauf es vielmehr ankam, war, dass sie Galen vor der Gholenarmee warnen musste, die sich zu einem Angriff auf ihn sammelte.
Und sie musste ihn außerdem davor warnen, dass Modru in nur zwei Tagen eine große Schandtat plante, denn zu diesem Zeitpunkt würde jener Schwärzeste Tag des Bösen anbrechen.
Laurelin begann aufgeregt hin und her zu laufen, denn mehr denn je war ihr nun klar, dass sie fliehen musste… aber wie? Auch wenn sie durch das Fenster in den Hof hinabklettern konnte, wenn es ihr vielleicht sogar gelang, diesen zu überqueren, blieben immer noch die Wälle zu bezwingen. Und wie sollte sie über den Abgrund gelangen? Und solange sie darauf keine Antwort hatte, sollte sie da einen Versuch wagen? Denn wenn sie bei einem erfolglosen Versuch erwischt wurde, würde Modru sie in ein anderes Quartier sperren - eines, wo es keine Fenster, keine Stäbe, keine Hoffnung auf Flucht gab.
Stöhnend vor Qual setzte sich Laurelin mit einem Ruck im Bett auf und erwachte mit weit geöffneten Augen aus einem grässlichen Traum von Angst und Enge. Ihr Herz raste wie wild, und ihr Bettzeug war verdreht und zusammengeschoben und schweißnass. Bruchstücke ihres Alptraums hingen wie Schwaden kalten Nebels in ihrem Kopf. Doch alles, woran sie sich erinnerte, war ein großes, saugendes, schwarzes Maul, das sich näherte, um sie gänzlich zu verschlingen, und sie konnte nicht fliehen, und hinter ihr hatte das Gezücht höhnisch gejohlt und an irgendeinem monströsen Folterinstrument gezupft.
Als sich die Prinzessin aus den Laken strampelte, hörte sie - Tsung! - das tiefe schwirrende Geräusch aus ihrem Alptraum, gefolgt vom heiseren Johlen der Brut. Einen Moment lang griff ihr die Angst aus dem Traum ans Herz; aber sie wusste, was sie hörte, war echt und kein Gespinst des Schlafs, und sie tappte vom Bett zum Fenster, stellte sich hinter die schweren Vorhänge und spähte hinaus ins Schattenlicht. Tsung! Da war es wieder! Und durch das Heulen und Jubeln des Gezüchts vernahm die Prinzessin das raue Klappern von Zahnrädern, und auch wenn sie das Gerät von ihrem Fenster aus nicht sehen konnte, so wusste sie doch, dass die Lökha den mächtigen Kurbelbogen auf dem Wehrwall über dem Tor spannten, um in Kürze einen weiteren Speer mit Eisenspitze auf die Legion zu schleudern.
Laurelins Blick wanderte zum Innenhof hinab, und sie hielt entsetzt den Atem an, denn genau unter ihrem Fenster stand ein Paar Lökha und sah zu, wie Rukhendiener Brocken sehnigen Fleisches und Schüsseln mit kaltem Hirsebrei an Gruppen des Gezüchts ausgaben, die von den Wällen kamen. Und an der Seite stand einer aus dem Leichenvolk, ein Ghol, und überwachte alles. Und genau in diesem Moment richtete er seine seelenlosen schwarzen Augen auf ihr Fenster, die roten Lippen teilten sich zu einem bösartigen Grinsen und die zwei Reihen spitzer Zähne schimmerten gelb im Schattenlicht. Tsung!
Laurelin stiegen Tränen in die Augen, sie wandte sich vom Fenster ab und ging zurück zum Bett. Und ihr Herz verzweifelte, denn auch wenn sie nicht gewusst hatte, wie sie über die Brustwehren und die Schlucht gelangen sollte, hatte sie eine Flucht dennoch irgendwie für möglich gehalten. Nun aber konnte sie nicht einmal mehr aus ihrem Fens ter klettern, denn dieser Weg würde sie direkt in die Arme des Gezüchts führen. An diesem Tag erschien keine Eskorte von Lökha, um sie auf die Wälle zu führen. Auch Modru kam nicht Und die Prinzessin wusste, dass sie sich auf den Krieg vorbereiteten. Den ganzen Dunkeltag lang schaute sie immer wieder aus dem Fenster, aber die Essensausgabe für das Gezücht blieb genau unter ihr. Sie überlegte fieberhaft, aber ihr fiel kein Plan ein, wie sie auch nur aus ihrem Zimmer fliehen könnte, geschweige denn die Reihen der Legion erreichen.
Und den ganzen Tag über war das unheilvolle Tsung! des Speere schleudernden Kurbelbogens vom Wall zu hören.
Am nächsten Dunkeltag lief Laurelin in ihrer Kammer auf und ab wie ein gefangenes Tier. Tu irgendwas!, schrie eine Stimme in ihrem Kopf, doch genauso laut schrie eine andere Stimme zurück: Was? Was kann ich tun? Sie trug ihre gesteppte Rukhenkleidung, und sie war bereit zur Flucht…, aber unter ihrem Fenster stand die Brut, und die Tür zu ihrer Kammer war verriegelt.
Und heute war der Tag, von dem
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