Mithgar 12 - Der schwaerzeste Tag
sollte, nicht nur zum Studium von Gelehrten, sondern damit man sie überall auf der Welt hören kann.
Ich schreibe Euch, weil ich mich an eine Bemerkung erinnere, die ich in einem verlassenen Haus südlich der feste Challerain machte. Ich sagte damals, ich würde Euch eines Tages, wenn wieder Frieden herrscht, möglicherweise bitten, Euer Tagebuch in eine Waerlingsgeschichte des Winterkriegs umzuschreiben.
Nun, Tuck, es ist so weit, und ich habe einen Auftrag für Euch, falls Ihr ihn annehmt. Ich möchte, dass Ihr Eure Geschichte aufschreibt und auch die Geschichte von anderen erzählt, die im Winterkrieg gekämpft haben. Und sollte diese Arbeit je beendet sein, möchte ich, dass Ihr weitere Tatsachen, Geschichten, Legenden sammelt, die sich auf Mithgar beziehen, und sie ebenfalls niederschreibt.
Nehmt diese Aufgabe nicht leichtfertig an, denn sie wird Euch Euer ganzes Leben beschäftigen, und selbst dann wird sie nicht vollendet sein, da die Geschichte ja nie endet. Wenn Ihr aber annehmt, dann mögt Ihr bitte mit den Mitteln, die ich dafür bereitgestellt habe, Schüler anwerben, die Euch beim Sammeln, Lesen, Sichten und Scbrei ben des Textes helfen. Ihr aber, mein sehr verehrter Waerling, müsst dieses Unternehmen leiten, denn ich kann mir niemanden vorstellen, der dafür besser geeignet wäre. Galen, Sohn des Aurion, Hochkönig von Mithgar Postskriptum: Laurelin erwartet ein Kind, unser erstes.
Merrili verstummte, und beide Wurrlinge hatten Tränen in den Augen. Nach einer guten Weile sagte Tuck: »Bitte schreibe eine Nachricht an den König, Merrili. Teile ihm mit, ich nehme in großer Dankbarkeit und Demut an.«
In den folgenden Jahren wuchs Rabe zur Maid heran und schließlich zur Jungmamme. Ihr Haar war schwarz wie Ebenholz, und ihre Augen waren blau wie die See. Und diese wunderschöne Mamme verbrachte ihre Entwicklungsjahre in der Gesellschaft von Schülern und Gelehrten, und sie selbst arbeitete unermüdlich an der großen Geschichte des Winterkriegs.
Rabe oder einer der anderen Schüler pflegte Tuck laut aus seinem eng beschriebenen Tagebuch vorzulesen, und der Bokker versuchte sich dann in allen Einzelheiten an die Ereignisse zu erinnern, die mit dem Eintrag zu tun hatten. Seine Worte wurden niedergeschrieben, und langsam nahm ein dickes Buch Gestalt an: Tuck Sunderbanks unvollendetes Tagebuch und seine Geschichte des Winterkriegs.
Oft reisten die Schüler an andere Orte, sei es in den Sieben Tälern oder außerhalb, und sprachen mit Zeugen über die Ereignisse des Krieges. Und häufig nahm Tuck an diesen Reisen teil: nach Steinhöhen und Vanar, zur Feste Challerain und ins Ardental, nach Thal und Minenburg und an viele andere Orte. Stets wurde er von Merrili und Rabe begleitet, und sie wurden überall mit offenen Armen empfangen. Es war während einer Reise ins Westtal, als Rabe Willem Graulock kennenlernte und ihr Herz an den gut aussehenden jungen Gelehrten verlor. Es sollte jedoch noch einige Zeit vergehen, ehe sie ihn wiedersehen würde, denn die Sunderbanks reisten weiter in die Roten Berge, um Brega aufzusuchen, inzwischen der Fürst jener Zwergenfestung, und mit ihm über die Wanderung durchs dunkle Drimmenheim zu sprechen.
Tuck, Merrili und Rabe verbrachten aber auch viel Zeit in Waldsenken, wo Geschichtsschreiber in Tucks Bau Quartier bezogen hatten. Während der Fertigstellung der Heldengeschichte staunte der eine oder andere Schüler oft, wie wenig gefehlt hatte, dass Modru und Gyphon triumphiert hätten. Bei einer solchen Gelegenheit hörte man Tuck sagen: »Zeit und Ereignisse sind wie ein Getreidefeld. Jeder Halm bringt Samen in großer Zahl hervor, die auf die Erde fallen. Manche liegen brach, während andere Wurzeln schlagen, zu Wirklichkeit heranwachsen und ihrerseits wieder Samen hervorbringen.
General Vidron sagte einst, eine lange Kette von Zufällen habe dazu geführt, dass er die Wurrlinge in Farnburg gerettet hat. Und ich weiß, dass eine lange Kette von Zufällen mich in das Heiligtum des Bösen im Eisernen Turm geführt hat. Stellt euch vor, wie anders die Geschichte verlaufen wäre, wenn andere Ereignisse, andere Wirklichkeiten Wurzeln geschlagen hätten.«
Willem Graulock kam nach Waldsenken, um an dem Geschichtswerk mitzuarbeiten, und Rabes Herz sang, wo immer sie ging. Bald wurde deutlich, dass auch Willem bis über beide Spitzohren verliebt war, denn er und die schwarzhaarige Schönheit schauten stundenlang zusammen in die Sterne - und wenn es nicht die Sterne
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