Mithgar 15 - Drachenbann
ja, ebenso langsam, wie er atmet.«
Aravan nickte. »Man glaubt, dass extreme Kälte den Puls des Lebens verlangsamt.«
»Wie das, Aravan?«
»Das weiß ich nicht, Gwylly. Aber viele Wesen gehen im Winter schlafen. Das Wachstum hört auf. Selbst das, was das ganze Jahr über wächst, Kiefern, einige Büsche und Gräser, Flechten und dergleichen … alle verlangsamen ihr Wachstum im Winter beinahe bis zur Unmerklichkeit. Einige Tiere schlafen ebenfalls, wie die Pflanzen.«
Gwylly sah den Elf neugierig an. »Wie Bären, die ihren Winterschlaf halten, stimmt’s?«
»Genau so, Gwylly. Und in diesem Fall ist Euer Beispiel auch höchst zutreffend.«
Gwylly sah erneut zu Urus hinüber und erinnerte sich an das, was er gelesen hatte: dass Urus bisweilen die Gestalt eines Bären annahm.
Aravan stand auf, schulterte den Harnisch, und Gwylly kletterte erneut voraus über das Terrain und führte den Elf.
Bei ihrer nächsten Rast untersuchte Gwylly den Weihwasserspender, der an Urus’ Gürtel hing. Er war fast fünfundzwanzig Zentimeter lang, aus Elfenbein und Silber gefertigt. Ein hohler Elfenbeinzylinder war an einem Griff aus demselben Material befestigt und mit ein wenig dickem Silberdraht geschmückt, der sich in einem offenen, geometrischen Muster über den Spender legte. An der Spitze des Handgriffs war eine silberne Kette befestigt, die eine Schleife bildete, die man sich über das Handgelenk streifen konnte. Am Oberteil des Zylinders befanden sich mehrere Löcher, durch die das geweihte Wasser entweichen konnte. Allerdings konnte Gwylly keine Möglichkeit erkennen, wie man den Behälter füllen sollte, außer vielleicht, ihn unterzutauchen. Am Rand des Zylinders waren Runen in das Elfenbein geschnitzt. »Heda, Aravan, seht Euch das an!«
Der Elf warf einen Blick auf die Runen. »Ah, das ist in der Sprache der Magier von Rwn geschrieben!«
Gwylly sah ihn erstaunt an. »Magie!«, stieß er hervor.
Aravan erinnerte sich, ging Tausende von Jahren zurück. Schließlich vermochte er, die uralten Symbole zu übersetzen. »Adon, ich bitte Dich um Hilfe - meine Not ist groß!«
Der Wurrling sah Aravan an. »Als Urus im Eis gefangen wurde, hat dieser Weihwasserspender angefangen zu glühen. Als dann Hilfe kam und er befreit wurde, hörte es wieder auf.«
»Nein, Gwylly«, antwortete Aravan. »Das Glühen erlosch, als ich den Spender berührte.«
Gwylly machte eine verneinende Handbewegung. »Trotzdem, Aravan, er hat Hilfe herbeigerufen, und erst als sie kam … hörte das Glühen auf. Wie blaue Steine, die kalt werden, oder Schwerter, die schimmern, wenn sich ein Feind nähert, oder Ringe, die ihren Träger unsichtbar machen oder ihm Kraft verleihen oder Schnelligkeit. Das ist auch ein magisches Artefakt.«
Aravan schüttelte bedächtig den Kopf. »Kleiner, dass glühende Schwerter existieren, will ich gar nicht abstreiten. Ich selbst trage einen blauen Stein. Aber Ringe? So etwas habe ich nie gesehen. Ich glaube, Ihr seid auf Ammenmärchen hereingefallen.
Trotzdem, dieses Aspergillum ist etwas Besonderes, auch wenn ich nicht weiß, wie es in Urus’ Besitz gelangt sein mag.«
»Ach, das«, gab Gwylly zurück. »Das kann ich erklären, denn es steht in Petals Reisetagebuch geschrieben. Urus hat es gefunden … in dem Kloster.«
Sie kämpften sich weiter über Eis und Schnee, in Richtung Westen, über das bebende Land. Sie mussten noch drei Meilen in diesem widrigen Terrain zurücklegen, und der Mond sank langsam zum Horizont.
Beim nächsten Halt setzte sich Gwylly neben Urus, tastete nach seinem Puls und fand ihn schließlich auch, obgleich die Zeit zwischen den Schlägen erstaunlich lang war. »Sagt, Aravan, obwohl Urus lebt, ist sein Lebenspuls unglaublich verlangsamt, durch die Kälte, wie Ihr wähnt. Baron Stoke war aber ebenfalls in dem Eis, doch wir hörten ihn heulen. Das heißt, Riatha sagte, er wäre es gewesen. Warum konnte Stoke heulen, wenn Urus noch immer bewusstlos ist und sein Leben an einem seidenen Faden hängt?«
Aravan schüttelte den Kopf. »Ich kann nur Vermutungen anstellen, Gwylly, nur spekulieren, denn damit bewegen wir uns in einem Reich des Wissens, das mir unbekannt ist. Was Ihr sagt, stimmt - Urus wacht nicht auf, während Stoke heulte. Mir kommen viele Möglichkeiten in den Sinn. Stoke hatte seine tierische Gestalt angenommen, Urus dagegen nicht, und die wilden, ungezähmten Tiere scheinen Verletzungen weit besser zu überstehen und sich zu erholen. Vielleicht ist das die
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