Mithgar 16 - Drachenmacht
Seite. Sie hielten unterwegs mehrmals inne, während Soldaten im Mondlicht vorübergingen. Schließlich kamen sie in einem weiten Kreis auf die gegenüberliegende Mauer zu. Sie drückten sich zwischen den Gebäuden hindurch und erreichten schließlich einen mit Felssteinen gepflasterten Hof. Schräg gegenüber an der Rückseite der Zitadelle sahen sie den Garten. Zwischen den niedrigen Büschen erhoben sich vereinzelte Palmen. Und in der Mitte stand die Reiterstatue, die Riatha beschrieben hatte: ein Mann auf einem Pferd. Darüber und etwas links davon lag im zweiten Stockwerk ein dunkles, vergittertes Fenster. »Dort«, zischte Riatha und streckte die Hand aus. »Das ist die Kammer, in der ich Faeril und Gwylly gesehen habe.«
Aravan ließ seinen Blick über den Hof gleiten. »Wir werden uns durch das Mondlicht bewegen müssen, wenn wir dorthin laufen wollen, und die Wand, die wir erklimmen, wird von vom Mond hell erleuchtet.«
»Trotzdem«, knurrte Urus, »müssen wir hinüber und hinauf.«
»Was ist mit dem Gitter?«, erkundigte sich Riatha.
»Schlingt ein Seil darum«, erwiderte Urus. »Der Bär wird den Rest erledigen.«
Aravan riss erstaunt die Augen auf, dann sah er Riatha an. »Du bleibst bei dem Bär auf dem Boden, Dara. Diesmal werde ich hinaufsteigen.«
»Falls der Stein es erlaubt«, erwiderte die Elfe.
Sie warteten, bis die Patrouille auf der Bastion auf der anderen Seite der Hauptkuppel angekommen war. Auf dem Hof war niemand zu sehen und die Posten an den Ecken schienen die Landschaft zu betrachten. Sie hasteten über die Felssteine und in den Garten, kauerten sich hinter den breiten Sockel des Podestes, der die Statue trug, und lauschten auf Alarmrufe. Es blieb jedoch still.
Die Skulptur, hinter der sie sich versteckten, war offenbar dem Emir nachempfunden und wirkte ein wenig heroischer als der große, korpulente Prinz. Aber er war dennoch zu erkennen.
Da sie keine Alarmrufe hörten, schlichen sie zur Wand des Gebäudes. Doch die Fugen zwischen den roten Marmorsteinen, mit denen die Fassade verkleidet war, wirkten haarfein. Sie erlaubten kein freies Klettern - und zwar niemandem.
»Vash!«, fluchte Aravan. »Wir können keine Felsnägel benutzen. Das Klopfen würde die Wachen alarmieren.« Er trat zurück und blickte hinauf. »Also eine Greifklaue …«
»Der Lärm«, sagte Riatha warnend.
Urus riss Fetzen vom Saum seines Hemdes. »Dann werden wir die Haken eben umwickeln.«
Sie wickelten Stoff um die Haken und den Schaft der Greifklaue und warteten, bis die Patrouille erneut außer Sicht war und die Wachen an den Ecken der Zitadelle wieder die Landschaft beobachteten. Aravan schleuderte die Klaue, die sich gleich beim ersten Wurf in den Stangen des Gitters verfing. Ein leiser, gedämpfter Aufschlag war das einzige Geräusch.
Aravan wendete das Innere seines Mantels nach außen, denn obwohl die Farbe des Innentuchs nicht zu dem des Steines passte, ähnelte der Farbton dennoch dem des Marmors. »Ich gebe Euch ein Zeichen, wenn ich so weit bin.«
Der Elf wartete erneut ab, bis die Patrouille verschwunden war, und kletterte dann geschwind hinauf. Als er das Fenster erreichte, warf er einen Blick ins Zimmer. In dem fahlen Mondlicht sah er ein Bett und zwei kleine Gestalten, die darauf lagen.
Aravan hielt sich an dem schweren, schmiedeeisernen Gitter fest, löste die Greifklaue, steckte sie durch das Gitter und hakte sie am Fensterbrett fest. Dann band er eine Schlaufe in das Seil, die er mit einem Schnappring befestigte. Den Ring hakte er in seinen Kletterharnisch ein, und nachdem er sich überzeugt hatte, dass der Haken hielt, belastete er das Seil mit seinem Gewicht.
Einen zweiten Strick legte er doppelt, schlang ihn um die Gitterstäbe und ließ die beiden Enden dann zu den Wartenden hinunter.
Als die Patrouille wieder auf der Bastion erschien, hielt er den Atem an und bewegte sich nicht.
Sie blieben eine Weile bei dem Wachposten an der Ecke stehen, lachten und gingen dann langsam weiter. Als sie zu dem nächsten Wachposten kamen, machten sie eine Bemerkung, und er lachte ebenfalls, während die beiden Soldaten ihre Runde gemächlich fortsetzten.
Aravan seufzte erleichtert, als sie außer Sicht waren.
Dann tauchte unten zwischen den Bäumen aus einer schimmernden Dunkelheit ein Bär auf.
Aus Seilen fertigte Riatha einen einfachen Harnisch an, den sie dem Bären anlegte. Die Bestie erwies sich als wenig entgegenkommend, schnüffelte an den Blumen herum und grub Wurzeln aus, die
Weitere Kostenlose Bücher