Mithgar 16 - Drachenmacht
sie aß. Schließlich war dennoch alles bereit.
»Urus, zieh!«, zischte die Elfe.
Der Bär betrachtete das zweibeinige Weibchen, das neben ihm stand. Ihr Haar schimmerte weiß in der mondhellen Nacht. Dann schwang er seinen massigen Schädel herum, spähte auf die Seile hinter seiner Schulter, die durch die Bäume hinaufführten. Er stieß ein heiseres Bellen aus, und schlenderte einige Schritte vor, bis sich die Seile strafften. Dann lehnte er sich hinein, zog, die Seile spannten sich… doch vergeblich.
Und dieser Zweibeiner flüsterte die ganze Zeit in sein Ohr, drängte ihn, weiter zu ziehen.
Er zog auch, nun aber härter, kräftiger, er wusste ja, dass irgendetwas passieren sollte. Aber was es auch sein mochte, es geschah nicht. Stattdessen widersetzte es sich ihm.
Ihm!
Er brüllte auf, wütend, unfassbar wütend …
… und das Brüllen hallte über den Hof, wurde von den Gebäuden und den Mauern der Zitadelle zurückgeworfen. Erneut brüllte er, immer wieder, immer und immer wieder, und wurde erst leiser, als er sich erneut gegen die Seile warf…
Die Ankerhaken, die das Gitter vor dem Fenster hielten, brachen mit einem metallenen Knall; der Rahmen mitsamt dem Gitter flog nach draußen, in einem hohen Bogen in den Garten hinab. Der Bär wirbelte herum, knurrte, biss und schlug nach den schlaffen Seilen auf seinem Rücken, und jenes zweibeinige Weibchen neben ihm flüsterte: »Urus! Urus!«
Aravan schwang sich derweil über das Fensterbrett in den Raum hinein und zog sein Kletterseil hinterher.
Auf den Bastionen schrien aufgeregt die Wachen; ihre Schreie erzeugten ein Wirrwarr aus Echos; sie liefen durcheinander, spähten hinauf, auf die mondhellen Hänge und in die Festung hinein: auf den Hof. Doch sie vermochten die Quelle dieses schrecklichen Gebrülls nicht ausfindig zu machen.
Die Türen der Kasernen flogen auf, und Schritte klatschten über die Steine, als die Soldaten auf den Hof strömten, die Waffen in der Hand.
Der Bär sah das zweibeinige Weibchen neben sich an, setzte sich hin, ein dunkles Schimmern umhüllte ihn, er wandelte sich und Urus erschien.
»Garn!«, fluchte er, als er sich an alles erinnerte, streifte den Harnisch aus Seilen ab. »Rasch«, zischte Riatha, »wir müssen uns verstecken.«
Sie krochen hinter den Sockel des Standbildes, während Urus das Seil mit dem Gitter heranzog und es von den Stangen löste.
Wachsoldaten rannten über den Hof an ihnen vorbei und zur Vorderseite des Gebäudes.
In dem Zimmer hoch oben in der Zitadelle trat Aravan an das Bett, in dem Gwylly und Faeril lagen - bewusstlos. Sie atmeten flach, ihr Puls schlug schnell und schwach.
Der Elf schlang das Seil unter Faerils Arme und um ihre Brust, hob die Damman auf und trug sie zum Fenster. Er spähte hinaus und sah die Wachen vorbeilaufen, zur vorderen Mauer, als erwarteten sie einen Angriff. Ihre Schreie hallten durch den kleinen Hof. Auf den Zinnen standen noch mehr Soldaten und spähten hinaus, suchten den Feind.
Dann war der Hof leer und Aravan ließ Faeril rasch in den Garten hinab. In der Dunkelheit huschte Riatha zu der Damman und löste das Seil, das Aravan dann ebenso rasch wieder hinaufzog.
Wenige Augenblicke später schwebte Gwylly hinunter, und kaum hatte der Bokker den Boden berührt, da schwang sich Aravan schon über das Fensterbrett hinaus. Er nahm sich gerade noch die Zeit, die Fensterläden zu schließen, bevor er sich ebenfalls in den Garten abseilte. Als Urus Gwylly zum Fuß der Statue trug, löste Aravan mit einem kurzen Rucken seines Handgelenks die Greifklaue aus dem Fenster und folgte ihm.
»Das gefällt mir nicht«, meinte Riatha, die ihr Ohr von Faerils Brust nahm und anschließend Gwyllys Puls fühlte. »Die Waerlinga liegen im Sterben. Wir müssen sie schnellstens an einen sicheren Ort bringen, wo wir sie behandeln können.«
Während immer mehr Wachen durch den Garten rannten, zog die Elfe ein Paket unter ihrem Umhang hervor, aus dem sie zwei Blätter Güldminze nahm. Eines schob sie sich in den Mund und reichte Urus das zweite. »Hier, kau es, aber schluck nicht. Und spuck dann die Flüssigkeit in Gwyllys Mund.«
Während Urus ihren Anweisungen folgte, tat Riatha dasselbe für Faeril. Der Bokker und die Dämmen schluckten aus einem Reflex den Speichel.
»Und jetzt den Brei«, befahl Riatha, und legte den kleinen Klumpen in Faerils Wangentasche. Urus folgte ihrem Beispiel bei Gwylly.
»Jetzt müssen wir hier weg«, erklärte Riatha. »Aber wir können die
Weitere Kostenlose Bücher