Mithgar 16 - Drachenmacht
erfüllt, würde vielleicht auch niemals erfüllt werden, denn seine Erfüllung hing von einer Gunst ab, die in dem Schloss des Hochkönigs, das gut eine Meile entfernt lag, gewährt werden musste, und die sich auf die Erfüllung eines Gelöbnisses stützte, das ein zehnjähriges Kind vor tausendsiebenunddreißig Jahren abgelegt hatte.
6. Kapitel
PENDWYR
Sommer 5E988 bis Herbst 5E989 (Gegenwart)
Gwylly wachte schlagartig auf. Was war das?
Der Bokker wusste einen Augenblick lang nicht, wo er war; er lag in einem breiten Bett, in einem Zimmer, das weder bebte noch schaukelte.
Wieder ertönte das leise Klopfen - an der Tür.
Er stöhnte, versuchte sich aufzurichten und stellte fest, dass sein Arm unter Faeril eingeklemmt war. Er war eingeschlafen, und Gwylly musste sich mühsam unter ihr herausziehen, um sich zu befreien. Als er schließlich saß, ließ er den Blick durch das Gemach gleiten. Ach, die Silbermöwe. Kein Wunder, dass sie nicht schwankt. Ich bin nicht mehr auf der Orren Vamma … Adon sei Dank.
Gwylly glitt aus dem Bett, sein eingeschlafener Arm baumelte nutzlos an einer Seite herunter, und stolperte zur Tür. Als er sie öffnete, fand er davor Aravan.
Der Elf lächelte. »Der Morgen dämmert bereits.«
Ohne ein Wort zu sagen schwankte Gwylly zum Bett zurück und versuchte hineinzusteigen. Mit der Hilfe eines Armes wollte er in das große Vierpfoster-Bett hineinkommen, das für einen ausgewachsenen Menschen gedacht war. Er dagegen war nur ein kleiner Wurrling. Aravan hob ihn hoch, und Gwylly fiel auf die Matratze, rollte sich auf den Rücken und massierte dann seinen eingeschlafenen Arm mit der anderen Hand.
Faeril, die neben ihm lag, schlug die Augen auf.
Aravan zog die Vorhänge vom Fenster zurück. Das blasse Licht der Morgensonne erfüllte den Raum. »Kommt, Kleine, wir wollen nicht als Letzte auf der Burg ankommen. Schon bald werden die Bittsteller Schlange stehen, und wir müssen früh dort sein, wenn wir noch heute eine Audienz bekommen wollen.«
»Au! Au!«, jammerte Gwylly.
Beunruhigt richtete sich Faeril auf und kroch sogleich weiter an die Seite ihres Bokkers. »Was hast du, Gwylly? Was ist los?«
»Au«, stöhnte er. »Nadeln und Spitzen, Liebste. Mein Arm ist eingeschlafen und wacht jetzt gerade auf.«
Erleichtert ließ sich Faeril mit dem Gesicht in die Kissen fallen.
Aravan ging zur Tür zurück. »Ich erwarte Euch in Kürze unten zum Frühstück.«
»Elfen«, knurrte Gwylly. »Die schlafen nie!«
Grinsend verließ Aravan ihr Gemach, zog die Tür hinter sich zu und ging zu Riathas und Urus’ Zimmer.
Faeril rutschte aus dem Bett. »Komm, mein Bokkerer, Aravan hat zweifellos recht. Wenn wir den Verwalter sprechen wollen …«
Nach einer halben Stunde gesellten sich Faeril und Gwylly zu Aravan in den Schankraum der Silbermöwe. Der Elf wurde gerade erst bedient. Eine Magd brachte ihm eine große Platte mit Frühstückseiern, Scheiben von Schinken sowie Brot und Honig. Daneben stand ein Topf mit heißem Tee und Milch. Als sich die drei ihre Teller füllten, kamen auch Riatha und Urus an den Tisch.
Aravan lächelte, als er die finsteren Mienen seiner Gefährten bemerkte. »Eine feuchtfröhliche Nacht, gestern, hm?«
Riatha starrte den Elf an und schüttelte verwundert den Kopf. »Wie du ein Glas Branntwein nach dem anderen kippen kannst, Aravan, und doch am Morgen so munter bist, das werde ich niemals begreifen. Ist das vielleicht ein uraltes Geheimnis, das du in deinen Jahren auf See gelernt hast, hm?«
»Akka! Daran ist nichts Geheimnisvolles, Dara. Ich bin einfach nicht schlafen gegangen.«
Urus verschluckte sich an seinem Tee, bekam jedoch das meiste davon hinunter, bevor er erstickt lachte. »Ein uraltes Geheimnis!«, keuchte er, hustete und grinste Riatha an, die ihm auf den Rücken klopfte. »Wirklich ein tolles Geheimnis!«
Die Sonne war gerade hinter dem Horizont hervorgekommen, als sie zu der fernen Burg gingen. Es versprach ein klarer, warmer Sommertag zu werden. Vom Ozean her wehte ein Südwind sanft über das Kap. Sie gingen durch die Stadt, deren Häuser vorwiegend aus Stein, Ziegeln und Dachpfannen erbaut waren, aus Mörtel und Lehm. Die Gebäude schmiegten sich aneinander, wenngleich sie gelegentlich auch ein allein stehendes Haus sahen. Die schmalen Straßen und Gassen wanden sich durch die Stadt, das Pflaster schimmerte in verschiedenen Farben. Im Erdgeschoss vieler Gebäude befanden sich Geschäfte und darüber Wohnungen. In den
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