Mithgar 17 - Drachenbund
selbst gesehen«, warf Aravan ein, und Riatha nickte bestätigend.
»Ach wirklich?«, fragte Urus stirnrunzelnd.
»Ja«, antwortete Aravan. »In der Schlacht von Heiofen. Mitten im Kampf tauchten mehrere große Bären zwischen den Baeron auf und fochten gegen Modrus Streitmacht.«
Urus sah Bair grinsend an. »Sagte ich nicht, dass ich im Kampf manchmal wie ein Bär denke? Offenbar denken andere von unserer Abstammung ebenfalls so.«
Bair lachte, als sie weiterritten und gelegentlich einen undeutlichen Blick auf ihre verstohlene Eskorte erhaschten. Vor allem Bair war es, der sie sah und auf sie deutete, denn ihr Leben strahlte ein anderes Licht aus, eines, das nur er wahrnehmen konnte.
»Die hier haben einst gelebt, doch jetzt sind sie tot«, erklärte Bair. »Nur der Große lebt noch, aber auch sein Leben ist kurz vor dem Erlöschen.«
Sie waren auf eine mit Efeu bedeckte Senke gekommen, in der sich gewaltige, zerborstene Steine befanden, zertrümmert und umgestürzt. Bis auf einen war keiner von ihnen mehr heil, und dieser, ein großer Monolith, stand am Fuß des steilen Hangs…
»Das ist eine Herde von Bio Wa Suk - Jene Die Stöhnen«, erklärte Aravan.
Riatha nickte, mit Tränen in den Augen. »So viele tot. Was hat sich hier zugetragen?«
Bair ging zu dem letzten stehenden Monolithen, legte eine Hand auf den Stein und drückte die Wange daran, als lauschte er. Kurz darauf brannten seine Augen vor Qual, und er sah Riatha an. »Seine Gedanken sind langsam und schwerfällig, nicht wie die von gewöhnlichen Steinen, die fixiert zu sein scheinen, sich nie verändern. Aber eines kann ich dir sagen, Ythir, dieser große Stein trauert.«
Faeril riss verblüfft die Augen auf. »Steine haben Gedanken?«
Riatha sah ihren Sohn ebenfalls erstaunt an. »Du kannst ihre Trauer hören, Bair?«
»Ich weiß nicht, was es sagt, aber hätte es ein Herz, so wäre es gebrochen.« Bair streichelte den großen Stein und trat dann zurück, als die Erde schwach grummelte.
Aravan hob eine Braue. »Ich dachte immer, nur Pyska könnten sich mit einem Stein verständigen, aber offenbar vermag Bair das ebenfalls.«
»Ich weiß nicht, was es sagte«, antwortete Bair, der wieder zu den anderen ging. »Aber es muss unendlich traurig sein.«
Riatha betrachtete ihr Kind mit tränenverschleierten Augen. »Es genügt, dass es wusste, du nimmst Anteil. Und dass es dich seine Trauer wissen ließ.«
Bair seufzte, drehte sich um und blickte auf das von Efeu überwucherte Tal mit seinen zahllosen zerschmetterten Steinen. »Lasst uns diese Senke verlassen.«
Sie stiegen auf und setzten ihren Weg fort.
Als sie an diesem Abend ihr Lager aufschlugen, erklärte Faeril: »Ich wusste nicht, dass Steine Gedanken haben.«
Aravan lächelte sie an. »So mancher glaubt, dass die Macht des Großen Schöpfers in allem ist.«
»Der Große Schöpfer?«, fragte Faeril zurück. »Ihr meint Adon, richtig?«
Aravan schüttelte den Kopf. »Nein. Es ist Derjenige, Der über allem ist, jedenfalls sagen das die, die an Ihn glauben. Andere wiederum sind der Ansicht, es gäbe Ihn gar nicht, sondern eher wären es die Folgen der Umstände und der formenden Kräfte in der Natur, die entschieden, was existiere.«
Faeril schüttelte den Kopf. »Adon oder nicht, Großer Schöpfer ja oder nein, Natur hin oder her, was ich wissen möchte: Denken Steine wirklich? Ich habe nicht einmal gewusst, dass sie lebendig sind.«
Aravan hob die Hände. »Dazu kann ich nichts sagen, aber eines weiß ich: Bair sieht eine Essenz in allen Dingen, die wir nicht wahrnehmen können.«
Faeril wandte sich zu Riatha herum. »Ist es das, was Bair in allem sieht? Die Macht des Großen Schöpfers?«
Riatha zuckte die Achseln. »Ich weiß nur, Faeril, dass Bair meint, es wäre Leben in allem.«
»Auch in Steinen?«
Riatha nickte grinsend. »Er sagt, dass sie auf eine sehr merkwürdige Art leben, da ihr ganzes Sein nur auf Solidität gerichtet ist. Er hat mir erzählt, dass die Essenz von Flüssen schnell und vergänglich ist, das Wesen von Bäumen der Würde gleicht; der Kern von Winden wäre Verspieltheit, das Mark von großen Stürmen Wut. Ob er in all dem tatsächlich auch Gedanken spürt, oder eine Macht, das weiß ich nicht. Aber er hat eine Sicht, die wir nicht besitzen, und wie Ihr heute erlebt habt, scheint er das Herz eines Stöhnenden Steines wahrgenommen zu haben … so wie der Stein selbst ihn gespürt hat. Ihr habt doch den Boden grummeln hören? Es war der Stein, der
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