Mithgar 18 - Drachenkrieg
er sammelte seine Willenskraft und ein dunkler Schimmer legte sich um den Jüngling. Im nächsten Augenblick trat Jäger vor, schob seine Schnauze durch die Schlinge, die sich über den Kopf schob und auf Schultern und Brust legte.
Dann zog der große Silberwolf die Trage auf der anderen Seite des Sattels den Hang hinab, zog den Freund, den Elf, durch den Schnee hinter sich her. Selbst dieses mächtige Wesen wurde bis an die Grenze seiner Belastbarkeit getrieben. Aber er lief weiter, versuchte, den Pass und die Gefahren, die darin lauerten, hinter sich zu lassen und irgendwo Schutz zu finden. Der blendende Schnee fegte an ihm vorbei, der Wind kreischte durch den Pass und schien zu versuchen, diese beiden Störenfriede auf der Stelle einzufrieren.
Jäger lief den Hang weiter hinab, zog die Trage mit dem Freund hinterher, bis er schließlich das Ende des Passes erreichte und das Plateau, das sich dahinter erstreckte. Hier konnte er abbiegen, den Pass verlassen und sich vor einer möglichen Lawine in Sicherheit bringen. Aber er musste einen Unterschlupf finden, und zwar bald, sonst würde der Freund, den er zog, sterben. Schließlich fand Jäger eine Schneewehe auf dem Plateau hinter einem Felsvorsprung. Der Wolf grub sich in die Schneewehe hinein, schuf so eine Mulde. Noch während er grub, drang ein Dröhnen vom Pass in seine Ohren. Er sah hin und erkannte in dem wirbelnden Weiß, dass sich die überhängende Schneenase gelöst hatte und heruntergestürzt war. Die Schneemasse rutschte nicht hinab, sondern füllte den ganzen Pass mit Schnee. Jäger grub weiter. Schließlich zerrte er den Freund in die Mulde und legte sich neben ihn, schmiegte sich dicht an ihn, um ihn warm zu halten.
So lagen sie da, neun Tage nach ihrem Aufbruch, ohne Proviant und Ausrüstung. Der Rückweg war ihnen versperrt, und ein eiskalter Schneesturm toste um sie herum.
Während der Schnee auf sie herabprasselte, wuchs die Schneewehe allmählich an und begrub den Elf und den Wolf unter sich.
Jäger erwachte. Es war still.
Der Sturm war abgeebbt. Der Schnee über ihm schimmerte hell von oben. Es war Tag.
Der Wolf stieß seinem Freund die Schnauze in die Seite. Der Elf atmete nur flach; er war zwar nicht tot, aber auch noch nicht bei Bewusstsein. Irgendetwas stimmte nicht.
Dann hörte Jäger das Rauschen von Schwingen.
Bair. Der Wahrname kam ihm ungebeten in den Sinn.
Ein dunkles Schimmern überzog den Wolf, und im nächsten Augenblick war es Bair, der lauschend da lag. Wie immer erinnerte sich Bair an alles, was Jäger erlebt hatte, aber im Unterschied zu dem Wolf konnte der Mensch die Flügelschläge nicht hören.
Bair kämpfte sich durch die Schneewehe nach oben und blinzelte in das helle Sonnenlicht, das sich auf dem kristallinen Schnee spiegelte und gleißte. Er warf die Kapuze zurück und wischte sich die Tränen aus den schmerzenden Augen. Dann blickte Bair auf und sah …
Adon, bin ich tot? Sehe ich dunkle Engel?
… geflügelte Wesen, die langsam herabsanken, während sie von großen, rabenschwarz gefiederten Schwingen getragen wurden. Sie waren mit Bögen bewaffnet und glitten kreisend, wie Krähen, hinab, auf Bair zu.
6. Kapitel
ZWISCHENSPIEL
Mai, 5E1009
(Sieben Monate zuvor)
Eine sachte Berührung der Sporen genügte, und das Streitross fiel mit drei ausgreifenden Sprüngen in den vollen Galopp. Der Jugendliche beugte sich im Sattel vor, senkte die Lanze in dem nachlassenden Licht des Tages, als sich das Ziel näherte. Und mit einem dumpfen Krachen traf ihre Spitze den Holzschild genau in der Mitte. Das Ziel drehte sich, und der hölzerne Morgenstern am Ende des Schildes zischte durch die Luft. Der Reiter beugte sich tiefer herunter und wich dem Gegenschlag aus.
»Gut gemacht, mein Prinz!«, rief Lady Eitel, als der Jüngling das Pferd wendete und erneut in die Schranken des Turnierplatzes ritt, um sein Ziel von der anderen Seite anzugreifen.
Während er in dem Zwielicht noch darauf wartete, dass ein Knappe den Schild, der nach dem wilden Schwung seitlich zum Stehen gekommen war, für ihn herumdrehte, hob Ryon grüßend die Hand, als Dank für Lady Eitels Lob. Sie kicherte, blickte hinter ihrem Fächer auf ihre Hofdamen und wusste sehr genau, dass jede von ihnen alles geben würde, um an ihrer Stelle zu sein. Denn sie, Eitel, Prinzessin von Jute, hatte vor, Ryon zu heiraten. Dann endlich würden die Fjordlander für ihre ständigen Vergeltungsangriffe auf ihr Land teuer bezahlen. Wie ihre Mutter,
Weitere Kostenlose Bücher