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Mitteilungsheft - Leider hat Lukas

Mitteilungsheft - Leider hat Lukas

Titel: Mitteilungsheft - Leider hat Lukas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niki Glattauer
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und damit die Basis gelegt hätten für alles, was heute im wahrsten Sinne des Wortes zähle: Physik, Chemie, Statik, Statistik, Löhne, Gehälter, das Bankenwesen, Wertpapiere, Sommerschlussverkauf.
    –  Ohne Pythagoras hätte es kein Streckenberechnen gegeben, kein Landvermessen, keine faire Verteilung von Grund und Boden.
    –  Und wenn einem Pythagoras … irgendwie… nicht liegt? Ich meine, die ganze Mathe.
    –  Mathe liegt jedem. Genug üben muss man sie halt.
    –  ---
    Heute stehen die Griechen vor dem Verkauf ihrer Inseln, die großen Banken gehen weltweit nur deswegen nicht pleite, weil die kleinen Bürger für ihre Verluste aufkommen, und der Sommerschlussverkauf endet im Juni, ohne dass der „Stringtanga für ihn“ da auch nur einen Cent weniger kosten würde als später im Oktober, wenn der Winterschlussverkauf beginnt. Hauptsache aber, der kleine Walter hat geübt und geübt und geübt. Und dabei seine Jugend geopfert (von Johanna und Perry-Rhodan-Spezialheften ganz zu schweigen). Geopfert für die Fähigkeit, Hyperbeln mit Ellipsen zu schneiden, am Rechenschieber (Rechenschieber!, gibt es das überhaupt noch?) Tangens und Kotangens abzulesen, Doppellogarithmen zu teilen, Matrizen zu berechnen und auf gefinkelte Matrosenaufgaben nicht hineinzufallen. Und wofür das alles? Nicht einmal beim Einkaufen musst du heutzutage mehr rechnen:
    –  Wie viel Geld hast du gebraucht, Wawa?
    –  Sag nicht Wawa, Mutter, das ist kindisch, ich bin 35.
    –  Gut. Walter. Also wie viel Geld hast du gebraucht?
    –  Steht am Kassazettel.
    –  Und wie viel hast du zurückbekommen?
    –  Liegt auf dem Tisch.
    –  Und wie viel hast du dir durch die Sonderangebote erspart, die ich dir auf dem Prospekt angekreuzelt habe?
    –  Keine Ahnung, Mutter.
Mein Handy hat keinen Akku gehabt.
    –  Wieso brauchst du für die Sonderangebote ein Handy?
    –  Glaubst du, ich setz mich im Supermarkt auf den Gabelstapler und rechne auf einem Zettel Prozente aus?
    –  Du hast gar nicht die Sonderangebote genommen? Wawa, sooo dick hab ich es …
    –  Doch. Die Bonuspunkte drucken sie dir beim nächsten Mal Zahlen automatisch aus.
    –  Welche Punkte?
    –  Vergiss es.



13
C:\Users\Walter\Dokumente\LukasSchule\TagebuchadMitteilungsheft
Donnerstag, 18. 11.
    Diesmal wieder einmal unter dem Altar:
    –  Das glaubst du nicht.
    –  Was glaub ich nicht?
    –  Der Weiser hat mir einen Deal angeboten.
    –  Einen was?
    –  Einen richtigen Deal.
Wie ein Mafiapate. Das glaubst du nicht. Wie in einem dieser Mafia-Filme aus Chicago: Leben gegen ewige Treue. Ehre gegen echten Whisky. Echter Whisky gegen gefälschte Zigaretten. Verstehst du?
    –  Spinnst du?
    –  Ich spinne kein bisschen.
    –  Wovon sprichst du?
    –  Wovon ich spreche? Kann ich dir sagen, wovon ich spreche, von einem fiesen, miesen Deal spreche ich. Und der geht so: Ich, Walter Gruber, habe erstens nicht gesehen, dass eine Lehrerin einem Schüler eine geschmiert hat, ich ermuntere, zweitens, unseren Sohn Lukas, bei einem Footballturnier als Cheerleader für seine Klasse den Deppen zu machen. Dafür wird er nicht vom Schulbesuch suspendiert.
    –  ---
    –  ---
    –  Su…, SUSP!
    Noch nie habe ich Bine so laut schlucken gehört. Gut, ich hätte meiner Frau den heiklen Sachverhalt etwas behutsamer vermitteln können, aber mit dem Gewitter, das dann über mich hereingebrochen ist, habe ich auch nicht gerechnet. Jedenfalls war der davor weit geöffnete Altar wieder zu, so schnell habe ich gar nicht schauen können:
    –  Gib mir sofort die Fernbedienung! Klick. Und die auch! Klick. Und jetzt erzähl! Und zwar schön langsam. Und von vorn.
    Tat ich.
    –  Herr Hofrat? Ich bin ein wenig zu früh, ich weiß. Aber …
    –  Herr Gruber! (Erhebt sich von seinem Stuhl)
Sehr erfreut! (Hebt beide Arme in die Höhe, ähnelt damit der Erlöserstatue über Rio, ist aber älter und dicker)
Ein Momenterl geben Sie uns noch. (Hebt theatralisch den Kopf und deutet mit dem Kinn auf eine Schülerin, die mit hängenden Schultern in zwei Metern Entfernung vor seinem Schreibtisch steht)
Die Frau Rosinger macht Ihnen sofort einen Kaffee, wir sind sofort für Sie da. Sofort.
Ruft: Frau Rosinger! Einen Kaffee bitte für den Herrn Doktor Gruber.
    15 Minuten später waren wir in medias res, wie der Grieche sagt.
    –  Es gab da diesen … äh Vorfall. Ich denke, wir wollen das gar nicht überthematisieren.
    Nach diesem Wort machte er eine entwaffnende Pause, stützte

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