Mitteilungsheft - Leider hat Lukas
sich mit den Unterarmen auf der Tischplatte ab, schob die Hände unter sein Kinn und wartete. Was sollte ich tun?
– Ja, natürlich. Wir wollen das bestimmt nicht überthe… also, von mir aus können wir die Sache gern vergess…
Sofort begann sein Gesicht zu strahlen. Die kleinen Äuglein hüpften hinter der Hornbrille fröhlich hin und her.
– Dann sind wir uns einig. Wir wollten nur sichergehen, dass keinem daran gelegen ist, die Sache öffentlich zu machen. Es hat da nämlich aus dem Umfeld Ihres Sohnes bereits Gerüchte gegeben …, aber lassen wir das. Aus kleinen Fehlern müssen wir nicht gleich große Tragödien machen, schließlich heißen wir nicht Shakespeare, hohoho.
Er lachte. Ich zwang mich zu einem Lächeln.
– Womit ich beim zweiten Punkt bin, der Ihren Sohn betrifft. Machen wir es kurz: Wir sind gewillt zu vergessen, dass er nun bereits die fünfte Klassenbucheintragung hat. Wir sind inzwischen der Meinung, dass die Sache mit diesen … Ferkeleien nicht von ihm stammt. Wir haben uns das angesehen. Wir haben auch schon einen Verdacht, um wen es sich bei dem wahren Missetäter handelt. Wir sind ja nicht von gestern, wir haben da einen Schriftvergleich angestellt. Andererseits …
Bei diesem Wort schleiften sich die rotierenden Äuglein des Direktors langsam ein, das Lächeln erstarb.
– Andererseits müssen wir hier eine gewisse Mitschuld Ihres Sohnes konstatieren. Wieso bearbeitet er das betreffende Arbeitsblatt nicht selber? Wie gelangt es in die Hände eines Mitschülers? Wieso meldet er nicht umgehend den Verlust oder gar Diebstahl des Papiers, und sei es nur, um das Arbeitsblatt noch einmal zu bekommen und seine Aufgabe fristgerecht zu lösen? Ist es nicht so, dass man Ihrem Sohn … äh, Laurin, nicht wahr? … den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit machen müsste? Und wäre man übelmeinend, sogar den der Mittäterschaft? Jedenfalls machen wir uns hier so unsere Gedanken. Die Kollegin Zemann macht sich ihre Gedanken, der ist so etwas in den 30 Jahren, die sie nun Deutsch unterrichtet, nicht untergekommen. Auch die Kollegin Sibera macht sich Gedanken, sie ist durch diese … Ferkeleien am meisten verunglimpft worden. Sogar die Mädchen ihrer Turnklassen, mit denen sie traditionell ein … wie soll ich sagen … fast freundschaftliches Verhältnis hat, lachen hinter ihrem Rücken über sie. Und last but not least macht sich natürlich die von mir überaus geschätzte Kollegin Söllner ihre Gedanken. Hat sie sich als sein Klassenvorstand zu wenig um die Arbeitseinstellung Ihres Sohnes gekümmert? Hat sie zu wenig für das soziale Klima in der 3A getan? Wieso trägt ihre engagierte Elternarbeit keine Früchte? Wo bleibt die konstruktive Unterstützung der Eltern ihrer Schüler, auf die jeder Lehrer, aber insbesondere jeder Klassenvorstand, angewiesen ist? Wo die Loyalität? Gibt es denn keine Loyalität mehr, Herr Gruber?
– Doch, doch. Natürlich. Vielleicht sollte ich Ihnen aber …
– Lassen Sie uns noch diesen einen Satz sagen. Wir waren selber viele Jahre als Musiklehrer an einem privaten Gymnasium tätig, und ich sage immer, wir haben es in der Schule mit einem Triangel zu tun, dem Triangel Eltern – Lehrer – Schüler. Man kann es nur dann zum Erklingen bringen, wenn alle drei Seiten aus einem Stück sind.
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– Ein schöner Vergleich.
– Ja, das meinen wir auch.
Und ach, noch etwas, bevor wir … bevor, wie Sie … Sie sehen!
An dieser Stelle hob er wieder den Kopf und deutete mit einer ausladenden Geste hinter mich, wo das Mädchen von vorhin, ohne dass ich es bemerkt hätte, gerade wieder Aufstellung genommen haben musste.
– Die Frau Kollegin Sibera würde es als Zeichen der Entschuldigung werten, wenn sich Laurin aktiv dazu entschließen könnte, seinen Beitrag zum Gelingen des großen Footballturniers im Sommer zu leisten.
– Lukas.
– Wie?
– Mein Sohn heißt Lukas, nicht Laurin.
– Ja natürlich, Lukas.
Es heißt, dass … Lukas’ Stärken weniger im sportlichen als im musisch-rhythmischen Bereich liegen, und da heutzutage selbst im Sport die Show regiert, denken Sie an diesen … diesen Verrückten, der aus dem Weltall gesprungen ist …
– Cheerleader.
– Cheerleader? Nein, der Mann war Österreicher, Oberöst…
– Nein, ich meine, ja, natürlich. Baumgartinger. Ein Verrückter. Da gebe ich Ihnen vollkommen recht. Nein, ich sprach von Lukas. Er soll das Footballturnier als Cheerleader
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