Mittelalter, 100 Bilder - 100 Fakten
die von der Kirche ausgesandten Spitzel und Denunzianten bildete sich eine lokale Guerillabewegung, die mit ungeheuerlicher Brutalität niedergeschlagen wurde. Der letzte Kampf der Albigenser fand auf der Bergfeste Montségur in den Pyrenäen statt. Nach monatelanger Belagerung durch ein Heer des französischen Königs ergab sich die Besatzung im März 1244. Über 200 Menschen bestiegen den Scheiterhaufen. Mit den Albigensern wurde auch die eigenständige Kultur Okzitaniens vernichtet
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Das Konzil, einberufen zum 1. November 1215, sah Innozenz auf dem Gipfel seiner Macht. Die vom Konzil erarbeiteten Reformkonstitutionen betrafen nahezu alle Bereiche des kirchlichen Lebens. Besonderen Raum nahm die Bekämpfung der Häresie ein. Aus den Beschlüssen des Konzils erwuchs die Praxis der Inquisitionsprozesse, in denen Geständnisse durch Folter erzwungen werden konnten. In den Verfahren gegen Hexen sollte das später massenhaft umgesetzt werden.
Papst Innozenz III. träumt, dass der heilige Franz von Assisi die vom Einsturz bedrohte Kirche stützt. Das Fresko von Giotto, entstanden am Ende des 13. Jahrhunderts, symbolisiert die stete Sorge der römischen Kirche um ihren Bestand
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(c) dpa/Picture Alliance, Frankfurt am Main
Friedenskuss, Salbung und Ritterschlag
Symbole und symbolische Handlungen
Im Juni 1155 befindet sich Friedrich I. Barbarossa auf dem Weg nach Rom, wo er sich zum Kaiser krönen lassen will. Ihm entgegen zieht Papst Hadrian IV. Im Städtchen Sutri kommt es zur Begegnung, bei der einiges schief läuft. Der Papst reitet, umgeben von einem Schwarm von Kardinälen und Bischöfen, in Friedrichs Lager ein, wo er begeistert begrüßt wird. Dann hält er vor dem König. Nach Meinung des Papstes müsste nun der Teil des Protokolls folgen, der mit „Marschall- und Stratordienst“ überschrieben ist: Der König führt das Pferd des Papstes ein Stück weit am Zügel und hilft dann dem Papst beim Absitzen, indem er den Steigbügel hält. Genau das verweigert Barbarossa; die Unterwerfungsgeste geht ihm zu weit, sie kann als Lehensabhängigkeit gedeutet werden. Hadrian behält die Nerven, steigt vom Pferd und nimmt auf einem Thronsessel Platz. Der König tritt heran und küsst dem Papst den Fuß – eine Handlung, die mit der herrscherlichen Würde vereinbar scheint. Danach erwartet er vom Papst den Friedenskuss, doch den bleibt Hadrian schuldig. Kein Friedenskuss ohne vorherige vollständige Ehrenbezeigung! Hitzige Debatten schließen sich an; mit historischen Nachweisen, wie viele höchste Herrscher schon den Marschall- und Stratordienst geleistet haben, kann endlich der Widerstand Barbarossas gegen die Zeremonie aufgeweicht werden. Die Begegnung wird an einem anderen Ort, am Lago di Monterosi bei Nepi, wiederholt – diesmal in voller Länge.
Kleinigkeiten mit großer Bedeutung
Auch heute laufen Staatsbesuche und Politikerbegegnungen in ausgeklügelten Zeremonien ab. Das Mittelalter hatte allerdings noch einen ganz anderen Begriff von diesen Dingen. Ihm war das Protokoll alles, es ersetzte bisweilen die Politik, zu bereden gab es danach gar nichts mehr; in der Positur, die einer einnahm, in Gebärden, die er machte, in Handlungen, die er vollzog, konnten Machtpositionen ausgedrückt, Rechte beansprucht und Weichen für die Zukunft gestellt werden. Kleine Handlungen konnten unendlich viel bedeuten. So war der Ritterschlag, die kurze Berührung mit dem Schwert, für den jungen Adligen der Eintritt in die Erwachsenenwelt. Die Salbung, ein Tropfen Öl, den ein Bischof auf den Kopf des Königs fallen ließ, gab diesem die göttliche Gnade und eine besondere Stellung unter den Menschen. Und dass der Lehensmann seine gefalteten Hände in die geöffneten Hände des Lehensherren legte, besiegelte das Dienst- und Schutzverhältnis zwischen ihnen auf alle Zeit.
Botschaften in Stein
Die wenigsten konnten lesen und schreiben. Wer im Mittelalter anderen etwas mitteilen wollte, musste es mündlich tun. Daneben gab es aber noch eine andere Form, Botschaften zu vermitteln: durch den Bildschmuck an den Kirchen, die Plastiken an ihren Fassaden und Portalen. Das mag für den Betrachter, der heute vor einer romanischen oder gotischen Kirche steht, seltsam klingen. Er würdigt sie als Kunstwerke, aber sie gehen ihn persönlich wenig an. Für den vom Christentum geprägten Menschen des Mittelalters waren sie mehr. Schon das Kirchengebäude erschien ihm als eine heilige Stadt und Reich der Heiligen. Vollends aber ließ er sich von
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