Mittelalter, 100 Bilder - 100 Fakten
Wissenschaftsbetrieb fand nicht länger nur in Klöstern oder an Königshöfen statt, sondern an städtischen Kathedralschulen, die sich größere geistige Unabhängigkeit leisten konnten. Laon, Melun, Chartres und Paris wurden die Zentren. Die naturwissenschaftlichen Schriften des Aristoteles sowie die Werke arabischer und jüdischer Gelehrter (Averroes, Avicenna, Maimonides) wurden bekannt. Petrus Abälard (1079–1142) entwickelte die scholastische Methode: Zu einem Problem werden alle Argumente für und wider zusammengetragen, um bestätigend auf die Glaubenswahrheit zurückzuführen. Anselm von Canterbury (1033–1109) fand mit der Formel „credo, ut intelligam“ (ich glaube, damit ich verstehe), die vermittelnde Lösung im Streit, ob Vernunft oder (kirchliche) Autorität über die Wahrheit zu entscheiden hätten.
Albertus Magnus, ein deutscher Scholastiker
Er war eine der wissenschaftlichen Leuchten seines Jahrhunderts; da blieb nicht aus, dass die Nachwelt ihm bald den Ruf eines Zauberers anhing. So soll er einst am Dreikönigstag, in Schnee und Eis, in seinem Garten ein Gastmahl veranstaltet haben, bei dem er solche Hitze zu erzeugen wusste, dass Sommer herrschte und die Gäste im Freien speisen konnten: Albertus Magnus, geboren um 1200 in Lauingen an der Donau, gestorben 1280 in Köln, Mitglied des Dominikanerordens, studierte in Padua und lehrte später in verschiedenen deutschen Städten und auch in Paris. Sein berühmtester Schüler war Thomas von Aquin. Als Gutachter und Friedensstifter half er Streitigkeiten schlichten, unter anderem wirkte er führend am „Großen Schied“ zwischen dem Erzbischof und der Stadt Köln (1258) mit. Der „doctor universalis“, wie man ihn nannte, beherrschte das gesamte philosophische und naturwissenschaftliche Wissen seiner Zeit, aristotelisches, jüdisches und arabisches Gedankengut floss durch ihn ins Denken des christlichen Abendlandes ein
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Thomas von Aquin
In der Hochscholastik (13. bis frühes 14. Jahrhundert) kam es durch den Eintritt von Franziskanern und Dominikanern in das wissenschaftliche Leben zu einer stärkeren Abhebung der Theologie von der Philosophie. Die Philosophie galt nur mehr als Magd der Theologie. Wissenschaftliche Theologie war danach die streng logische Fassung der christlichen Lehre. Im Dominikaner Thomas von Aquin (1225–1274), als „doctor angelicus“ (engelhafter Lehrer) verehrt, fand die Scholastik ihren klassischen Vertreter. Nach seinen Worten war die Theorie, dass die Existenz Gottes von Anfang an (d.h. ohne sich auf die Erfahrung stützen zu können) bewiesen werden könne, unrichtig: „Gerade unser Wissen um die Wirklichkeit führt uns zu dem Schluss, dass Gott existiert.“ Die Wirkungen der Scholastik reichten weit: Die auch von Thomas formulierte Lehre von der dienenden Funktion der Philosophie (er sah sie als nützliches Instrument, um theologische Probleme zu erläutern) blieb in der katholischen Schultheologie bis in die jüngste Zeit wirksam.
Der Renaissancemaler Filippino Lippi feiert in einem Gemälde den Triumph des Thomas von Aquin. Der große Scholastiker thront zwischen der Philosophie, Astronomie, Theologie und Grammatik, die als weibliche Figuren dargestellt sind. Zu seinen Füßen der arabische Philosoph Averroes
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Die Geißel Gottes
Dschingis-Khan (um 1155-1227)
Eigentlich hieß er Temüdschin, was „Schmied“ bedeutet. Den Beinamen Dschingis-Khan („ozeangleicher Herrscher“) erhielt er, als er Herr über die Mongolei geworden war. Eine Prophezeiung hatte ihm die Weltherrschaft verheißen.
Die Mongolen lebten als Nomaden im Gebiet des Baikalsees in Sibirien. Temüdschin-Dschingis-Khan, geboren um 1155, war ursprünglich nur einer von vielen Häuptlingen. Seit 1188 aber einigte er die zerstrittenen Stämme und stellte, nachdem ihn die Reichsversammlung 1206 als Alleinherrscher bestätigt hatte, ein schlagkräftiges Heer auf. Aus dem als erstes unterworfenen Volk der Uiguren gewannen die Mongolen Fachkräfte für Schrift- und Kanzleiwesen. Überläufer aus China und den arabischen Staaten vermittelten ihnen wichtige Kenntnisse im Kriegswesen. Und nicht nur benutzten die Mongolen unbefangen das Know-how der Fremden, sie gliederten ihrem Heer auch unbedenklich ausländische Kontingente ein. So gerüstet konnte Dschingis-Khan das Gebiet der Steppenvölker verlassen und einen beispiellosen Eroberungsfeldzug beginnen. Nordchina fiel, ebenso Nordpersien und das
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