Mittelalter, 100 Bilder - 100 Fakten
ein „Rat“ die Geschäfte, der von den Berufsgruppen gestellt wurde. So jedenfalls das Ideal, häufig saßen in diesem Gremium aber nur die Angehörigen bestimmter einflussreicher und angesehener Familien, und gewählt wurde nicht, sondern der Rat suchte sich seinen Nachwuchs selbst aus. Führendes Element in der Stadt war fast überall die im Fernhandel tätige Kaufmannschaft, wie es auch schon der Stadtgrundriss klar machte: Die Siedlung gruppierte sich um den Markt. An dem Ort, wo Waren feilgeboten wurden, schlug das Herz der Stadt.
Stadtluft macht frei
Wer länger als ein Jahr in der Stadt lebte, war befreit von allen Bindungen, die er zuvor gehabt haben mochte. „Stadtluft macht frei“, hieß das Zauberwort. Es bedeutete, dass sich gesellschaftliche Veränderungen auch rechtlich auswirkten. Die Leibeigenen, die bisher in einer persönlichen Bindung an ihren Herrn gelebt hatten, streiften diese in der Stadt ab, wo innerhalb der Mauern ein anderes Recht galt: das des Bürgers, der nur seiner Stadt verpflichtet war. Mit der Garantie, „über Jahr und Tag“ Freiheit zu gewähren – vorausgesetzt, der Herr des Leibeigenen erschien nicht vor Ablauf der Frist, um seinen Mann zurückzufordern –, wurde die Stadt zum Magneten für alle, die es danach drängte, selbständig zu leben und zu wirtschaften
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Verpasste Chancen
Die deutschen Städte boten sich als Verbündete des Königtums an; zum ersten Mal war das 1073/74 deutlich geworden, als die Bürger von Worms und Köln Partei für Heinrich IV. ergriffen. Die Stauferherrscher förderten durchaus die Entwicklung des deutschen Städtewesens, doch nur bis zu einem gewissen Grade. Für eine regelrechte Allianz war die Zeit noch nicht reif. Das lag an der staufischen Italienpolitik. Friedrich I. Barbarossa oder seinem Enkel Friedrich II. traten die italienischen Städte nur als Gegner gegenüber, zu ihrer Bekämpfung setzten die Monarchen auf die Waffenhilfe der deutschen Fürsten – die nun wiederum Konkurrenten der deutschen Städte waren und deren Macht nach Kräften einzudämmen suchten. Eine hoffnungsvolle Entwicklung, mit den Städten als Trägern des Reichsgedankens, wurde auf Jahrhunderte abgeschnitten.
Marktplatz mit Zisterne in der toskanischen Stadt San Gimignano. Auf solchen Plätzen eingerahmt von den Versammlungshäusern des Stadtrates, der Kaufmannschaft und der Handwerkerverbände, liefen im Mittelalter die wirtschaftlichen und politischen Fäden zusammen
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(c) dpa/Picture Alliance, Frankfurt am Main
Englands Staatsgrundgesetz
Die Magna Charta (1215)
König Johann von England (1199–1216) war in seinem Land nicht besonders beliebt. „Lackland“, Ohneland nannte man ihn, das kam daher, dass er als jüngster Sohn Heinrichs II. bei der Erbteilung schlecht weggekommen war und nur eine französische Grafschaft und den östlichen Teil Irlands erhalten hatte. Johann war der Bruder des äußerst populären Richard Löwenherz. Während dessen Kreuzfahrt ins Heilige Land führte er die Regentschaft und bestieg nach Richards frühem Tod den englischen Thron. Sogleich verstrickte er sich in verlustreiche Auseinandersetzungen mit Frankreich um die englischen Besitzungen auf dem Festland. Auch mit dem Papsttum legte er sich an, 1213 musste er sich Papst Innozenz III. unterwerfen und sein Land von diesem zu Lehen nehmen. Aus seiner Allianz mit dem deutschen Kaiser Otto IV. erwuchs ihm genauso wenig Heil: Bei Bouvines wurden er und sein Verbündeter 1214 von den Franzosen geschlagen.
Sagenfigur Robin Hood
Er haust zusammen mit anderen Geächteten im Sherwood Forest, trifft unfehlbar mit Pfeil und Bogen, nimmt den Reichen und gibt den Armen: Zahlreiche Balladen und Lieder verherrlichen die Taten des edlen „outlaw“ Robin Hood. Aus gutem Hause stammt er und ist nur durch die schurkischen Machenschaften benachbarter normannischer Adliger um seinen Besitz gekommen, so will es die Sage. Zwischen 1160 und 1247 soll er gelebt haben, aber verlässliche Nachrichten gibt es darüber nicht. Einzelzüge der Sage von Robin Hood deuten tatsächlich auf diese Zeit, besonders auf die wirre Epoche, da Johann Ohneland regierte (1199–1216). Der König, immer um Geldmittel verlegen, presste aus seinem Volk Steuern aller Art heraus. Zu Sheriffs, d.h. königlichen Vollzugsbeamten, pflegte er Männer aus seiner Söldnertruppe einzusetzen. Im Sheriff von Nottingham, Robin Hoods Erzfeind, ist dieser Typ des brutalen und skrupellosen Lokalmachthabers genauestens
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